Die Herzen aller Mädchen
zu amüsieren. Sie blickte Ute ins freundliche breite Gesicht, das von vielen roten Äderchen durchzogen war, und versuchte, nicht zu neugierig zu wirken. Sie ist in Gregors Alter, dachte sie. Ob die beiden alte Sandkastenfreunde waren? Wie merkwürdig, dass man sich Ute so gar nicht als Gregors Partnerin vorstellen konnte.
»Ob hier fremde Männer ums Haus schleichen«, schimpfte Ute indessen. »Ob Elisabeth Kontakt zu Geheimorganisationen hat. Stun-den-lang musste ich mir den Kopf zerbrechen.
Gladio.« Sie tippte sich an die Stirn. »Haben Sie davon schon mal was gehört?«
»Das hat was mit der CIA zu tun«, sagte Bettina alarmiert.
»Das sind Verbrecher«, sagte Ute düster. »Ich hab’s im Internet nachgeguckt.«
»Wie sollte Gregors Mama denn zu denen kommen?«, fragte Bettina.
»Das ist sie nicht«, sagte Ute wegwerfend. »Hier waren nie komische Fremde. Nie.« Sie grinste Sammy zu. »Gell? Die gibt’s hier nicht.«
Außer der einen mit den roten Haaren und den Alibikindern, dachte Bettina mit nur mäßig schlechtem Gewissen. Irgendwie war sie ja tatsächlich Gregors Freundin, wenn auch nicht der »Schwarm«, mit dem seine Mutter in der Nachbarschaft angab. »Auch keine alten Schulfreunde von Gregor?«, fragte sie, und Ute blickte einen Moment lang nachdenklich, als würde sie nun doch merken, dass sie Bettina überhaupt nicht kannte.
»Das wären dann auch meine«, war die Antwort.
Wusste ich’s doch, selbes Alter wie Gregor, dachte Bettina wieder. Diesmal war es ein wenig peinlich, denn Ute schien denselben Gedanken zu haben. Und Vergleiche zu ziehen.
Sie standen nun an der Seite des Hauses, die Bettina von den Bildern kannte. Über ihnen wuchs ein kleiner Erker aus der Hauswand, dessen Fensterlaibungen notdürftig mit Kunststofffolie abgespannt waren. Ruß bedeckte die Außenwand, und alter Brandgeruch lag in der Luft.
»Das war ein Verrückter«, sagte Ute und drückte Sammy fest an sich, als wollte sie das kleine Mädchen beschützen. »Einer von diesen Krampe-Fans.«
»Sind die denn so …« Bettina zögerte, »aufdringlich?«
»Aber sicher«, sagte Ute. »Dieser Spionagestoff zieht die Verrückten nur so an. Kennen Sie nicht die Krampe-Blogs im Internet?«
»Nein«, sagte Bettina, erstaunt, dass Ute so etwas kannte. Die wirkte äußerlich eher wie eine Gärtnerin, die nichts im Kopf hatte außer ihren Rosenbeeten.
Doch weit gefehlt: »Vom versunkenen Atlantis bis zu Hohlwelttheorien und Außerirdischen können Sie mit einem Montes-Roman alles erklären. Die werden inzwischen rückwärts gelesen. So wie wir früher die Stones-Alben gehört haben. – Finanziell nutzt es Elisabeth leider wenig.« Ute lächelte Sammy zu. »Aber vielleicht kommt das ja noch.«
Bettina betrachtete nachdenklich die rußige Wand über den zugespannten Fenstern. »Fanpost kann es eigentlich nicht gewesen sein. Meint Gregor. Er sagt, seine Mutter wäre sehr vorsichtig. Sie macht ja angeblich kaum was davon auf.«
Ute nickte. »Nur schreibt der verrückte Fan nicht drauf, was er ist, nicht wahr?«
»Oberhuber stand als Adresse drauf«, sagte Bettina beiläufig. »Corinna Oberhuber. Die Polizei hat inzwischen Mittel, um so was rauszukriegen.«
»Ja, hab ich schon gehört«, sagte Ute desinteressiert. Sie ließ Sammy los, die sprang fort, in den helleren Teil des Gartens. »Eine Verrückte eben. Die hat sogar ein Buch geschrieben über Georg. Hab den Namen davor nie gehört.« Das hörte sich ehrlich an. »Diese ganze Sache hat einfach was Unwirkliches«, sprach sie. »Auch weil es im Arbeitszimmer von Gregors Vater passiert ist.« Sie beugte sich wieder vor und blickte Bettina angestrengt in die Augen. »Soll ich Ihnen mal sagen, was ich gedacht habe, als ich diesen Feuerschlag gesehen habe?«
»Sie sind Zeugin der Detonation gewesen?«, fragte Bettina eine Spur zu erstaunt und noch dazu im schönsten Amtsdeutsch. Doch Ute schien es nicht zu merken. Sie wies nur vage über den Gartenzaun.
»Da drüben. Ich war im Garten. Und als es knallte und dieses Feuer aus den Fenstern kam, da dachte ich gar nichts Böses. Ich bin nicht mal richtig erschrocken. Ich hatte meine Brille nicht auf. Ich dachte nur, der Georg ist wieder da und bastelt in seinem Arbeitszimmer wie früher.« Sie schüttelte den Kopf. »Es ist komisch, ich hab ja praktisch seine Beerdigung organisiert, ich muss also wissen, dass er tot ist, aber es kommt mir manchmal echt so vor, als wäre Georg gar nicht wirklich weg.«
Bettina durfte sogar
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