Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Herzen aller Mädchen

Titel: Die Herzen aller Mädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Geier
Vom Netzwerk:
langsam aus seinem Mundwinkel. »Sie hatte es nicht immer leicht mit meinem Vater und seinen – Verehrern.«
    Oder Verehrerinnen, dachte Bettina. »Aber gerade die schreiben doch nicht anonym«, sagte sie.
    »Manchmal schon«, sagte Krampe. »Mein Vater hat sich zuweilen auch darüber aufgeregt. Fanpost kann ohne Absender bedrohlich sein. Das hat Vater gehasst. Einmal hat er sogar eine Vase zerschmissen.« Krampe blickte ins Weite, als sei Vasenzerschmeißen das Ungeheuerlichste, was ein Mensch tun konnte. »Mit Rosen drin«, setzte er hinzu.
    »Wann ist das passiert?«
    »Vor fünfundzwanzig, nein, ich glaube, siebenundzwanzig Jahren.«
    Bettina musterte ihn schärfer, doch Krampe schien völlig aufrichtig. Für einen Menschen, der sich gedanklich im Mittelalter aufhielt, war ein Vierteljahrhundert vielleicht nicht viel. Aber konnte man auch die eigene Lebenszeit so messen? Vor siebenundzwanzig Jahren, wie alt war Krampe junior da wohl gewesen?
    »Achtzehn«, sagte er und sah Bettina in die Augen.
    Sie lief rot an, hatte sie ihre Frage wirklich laut ausgesprochen? Und dann noch in einem Ton, der so einen Blick provozierte? »In jüngerer Zeit ist das nicht mehr vorgefallen?«, fragte sie mit ungewollt rauer Stimme.
    Krampes Blick schweifte ab. »Mein Vater hat eigentlich sowieso wenig Fanpost gelesen. Er mochte keine Kritik.«
    »Fanpost ist doch das Gegenteil von Kritik«, sagte Bettina naiv.
    Krampe lächelte. »Lieber Johnny Montes«, sprach er plötzlich betont munter, »hier schreibt dein größter Fan. Ich wollte, ich könnte sein wie du, allerdings finde ich es nicht gut, dass du Morton Black verschont hast. Der wird noch großen Ärger machen. Und was Frauen angeht, solltest du dich mäßigen, schließlich bist du ein Vorbild für die Jugend.« Der Blick, den Krampe nun auf sie abfeuerte, war eine volle Breitseite, ironisch, lauernd, sexy.
    »Viel gemäßigt hat er sich wohl nicht.« Bettina schaute lächelnd in Krampes graue Augen.
    »Nein«, sprach Krampe kühler, sah auf den rauchenden Stummel in seiner Hand, beugte sich hinab und holte unter der Bank einen alten Blumentopf hervor. Auf dessen Rand drückte er die Zigarette aus. »Sehen Sie, und das sind die unheimlichsten. Die an den Helden selbst gerichtet sind.«
    »Gibt es das wirklich?«
    Er ließ seine Kippe in den Topf fallen und stellte ihn vor Bettina auf den Boden. »Sie würden staunen. Mancher Leser steigert sich dermaßen rein, dass Sie’s kaum glauben können. Ich hab mich immer gefragt, wozu so einer fähig ist, wenn ihm ein Buch mal nicht gefällt.«
    »Wollen Sie damit andeuten, diese Bombe sei eine Art Buchkritik gewesen?«
    »Vielleicht auch nur Prominentenklatschen«, sagte Krampe, und er klang plötzlich müde. »Irgend so was Absurdes wie der Mord an John Lennon.« Er zuckte die Achseln. »Was anderes kann ich mir nicht vorstellen. Ehrlich.«
    »Dann müsste ja Ihr Vater der Adressat des Pakets gewesen sein.«
    »Und wieso sollte er nicht?«
    Bettina räusperte sich. »John Lennon zum Beispiel war noch am Leben, als der Anschlag auf ihn verübt wurde. Das war gewissermaßen die Grundvoraussetzung.«
    »Nehmen Sie Johnny Montes statt meinem Vater«, erwiderte Krampe.
    »Aber der ist eine Kunstfigur.«
    »Wie John Lennon«, sagte Krampe, »unsterblich.«
    Das brachte er mit solchem Ernst vor, dass Bettina sich kurz fragte, ob der Verrückte nicht direkt vor ihr saß. Sie drückte ihre Zigarette auch aus. »Nein«, entgegnete sie, »das Tolle an Lennon war seine Sterblichkeit. Die hat diesen Killer, wie hieß der noch? Ich hab’s vergessen, jedenfalls hat ihn gerade die angefetzt. Und der Typ war super vorbereitet. Eins können Sie keinem Paranoiden vorwerfen: dass er schlampig recherchiert.«
    »Hm.«
    »So einem wäre nicht entgangen, dass sein Opfer schon zwei Jahre unter der Erde liegt. Und einem Johnny Montes wiederum kommen Sie mit Sprengstoff nicht bei. Das weiß ich, das wissen Sie, und einer, der wochenlang an einer Bombe baut, weiß das auch.« Sie beobachtete Krampe, der sich sofort die nächste Zigarette anzündete. Er paffte verlegen. »Gewaltverbrechen«, setzte sie drauf, »sind meistens simpel. Die Mehrzahl aller Kugeln, Messer, Giftbecher und Bomben erreicht die Person, die tatsächlich gemeint war.«
    »Aber meine Mutter«, sprach Krampe heftig, »ist langweilig! – Für einen Mörder«, fügte er hinzu, als er Bettinas Blick bemerkte.
    »Sagen Sie mir doch mal«, bat die nur, »wie ein Paket aussähe, das Ihre

Weitere Kostenlose Bücher