Die Herzen aller Mädchen
seinem Leben betrachtete, davon gab es einfach zu viele. Hübner indessen kam ihnen entgegen und begrüßte Bettina. Sein Händedruck war feucht, sein Blick freundlich, aber verschwommen. Das erleichterte sie irgendwie. Einen energischen Retter hätte sie nur schwer ertragen, merkte sie. Sie gingen in Hübners Zimmer und ließen die Kinder toben. Hübner sah ihnen bloß zu, Bettina ebenfalls. Der Dildo kam nicht zur Sprache. Die Stunde ging schnell herum, und am Ende hatte Bettina zwar nicht das Gefühl, dass ihr geholfen worden war, aber sie dachte, dass sie doch eine relativ normale alleinerziehende Adoptivmutter zweier verschiedenfarbiger Kinder war.
Fünf
Am nächsten Morgen rief Syra an, als Bettina noch mit Enno und Sammy am Frühstückstisch saß. »Es hat sich was ergeben«, frohlockte ihre trockene Stimme aus Bettinas Handy. »Leute! Wir haben einen erstaunlichen Hinweis gefunden. Vermutlich kann ich die Bibliothek, aus der das Manuskript stammt, lokalisieren.«
»Super«, sagte Bettina und versuchte das Telefon zwischen Schulter und Ohr zu klemmen, weil sie soeben Honig auf ein Brot träufelte, doch das Gerät war viel zu klein. »Ist ja toll! Wie ging das denn so schnell?« Dies war ihr Kinderton und zu gönnerhaft für die Vorgesetzte vom BKA, das merkte Bettina zu spät. Syra schwieg. Bettina fluchte innerlich, packte ihr Telefon mit der honigverschmierten Hand und stopfte Sammy kurzerhand den Löffel in den Mund.
»Ich wollte ablecken!«, beschwerte Enno sich lautstark.
Sammy grinste ihn schadenfroh an.
Enno feuerte sein Brot auf den Teller. »Immer darf die ablecken!«, brauste er auf. »Nie ich!«
Bettina blickte ihn böse an und legte den Finger an den Mund, was nicht das Geringste nützte.
»Du hast Sammy lieber als mich!«, schrie Enno. »Weil sie klein und schwarz ist!«
Bettina stand auf, verließ das Zimmer, schloss die Tür und lehnte sich dagegen.
»Du Pups«, hörte sie Sammy drinnen sagen, dann begann ihre Tochter übermütig zu kichern und Enno zu brüllen.
»Haben Sie die Berichte bekommen?«, fragte Syra streng dazwischen.
»Ja.«
»Können Sie irgendetwas von Belang dazu sagen?«
»Gregor Krampe hat die Bombe nicht gebaut«, sagte Bettina spontan, das Gebrüll im Zimmer war so groß, dass sie kaum denken konnte. Sie nahm das Handy in die linke Hand, leckte sich den Honig von der Rechten und dachte dann, dass sich dies für Syra vielleicht befremdlich anhörte. Also ließ sie ab von der Hand und ging mit ihrer Chefin am Ohr raus ins kalte Treppenhaus.
»Wie sind Sie zu dieser Einschätzung gekommen?«, fragte Syra streng.
Da fiel Bettina auf, wie unvorsichtig sie eine Vermutung geäußert hatte, die sie durch nichts belegen konnte. »Er war zwei Monate vor dem Anschlag das letzte Mal bei seiner Mutter«, sagte sie langsam, um Zeit zu schinden. »Und das Paket wurde definitiv nicht verschickt. Wenn er es gebracht hätte, müsste Frau Krampe zwei Monate mit dem Öffnen gewartet haben.«
»Frau Boll«, fragte Syra schneidend, »wollen Sie mich verschaukeln?«
»Wir haben natürlich nur seine Aussage darüber, wann er das letzte Mal in Darmstadt war«, sagte Bettina kleinlaut.
»Sie glauben nicht, dass er es war«, mutmaßte Syra.
»Stimmt«, gab Bettina zu, was sollte sie sonst sagen? Sie fror, und im Innern ihrer Wohnung wurden Möbel gerückt. »Der Herr Krampe«, versuchte sie nun doch noch zu retten, »macht nicht den Eindruck, als wäre er so ein Kaputter, der mit gut vierzig noch seine Mutter umbringen will. Ich habe mit ihm gesprochen, und er hat nicht versucht, mir ganz im Vertrauen die echte Wahrheit über seine Mama zu erzählen, wie diese krankhaft fixierten Typen das machen. Im Gegenteil. Er sagte: ›Sie ist langweilige Also wenn er sie töten wollte, dann nur aus Kalkül. Aber was hätte er davon? Und wieso mit einer Bombe?«
Syra schwieg eine Weile. Dann sagte sie völlig überraschend: »Frau Ballier fand ja auch, dass Sie einen einigermaßen begabten Eindruck machen.« Und fügte hinzu: »Ehrlich gesagt, glaube ich das mit dem Sprengsatz ebenfalls nicht. Ich würde Herrn Krampe in Bezug auf das Manuskript alles zutrauen, nur diese Bombe an seine Mutter, die passt nicht ins Bild. Trotzdem erstaunlich, dass Sie das so entschieden äußern.«
»Oh«, sagte Bettina erleichtert. »Finden Sie das auch?«
»Leider können wir die vielen Verdachtsmomente gegen ihn nicht einfach ignorieren«, fuhr Syra ihr über den Mund. »Gehen Sie also hin und sortieren
Weitere Kostenlose Bücher