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Die Herzen aller Mädchen

Titel: Die Herzen aller Mädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Geier
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Waldbeerentorte, Punschkuchen, Schokoladenbiskuit und Eclairs. Bettina hatte sich ruiniert dafür. Sie fragte Enno nicht, ob er seine Hausaufgaben gemacht hatte. Sie fragte nicht nach dem Dildo und nicht nach den Patronen und Maurice und Käptn Sharky. Sie nahm sich ein Eclair und schaute ihren Sohn an und dachte, dass er Ähnlichkeit mit Agazio hatte. Vielleicht musste sie ihm seinen Vater gönnen. Sie sollte den Mann suchen. Unauffällig und legal. Es würde ungerecht sein. Denn die süße Sammy konnte ihren brutalen Erzeuger tatsächlich niemals sehen. Sie musste die Tochter von John bleiben und froh sein, wenn sie nur Märchen über ihn hörte. Sie musste sogar damit leben, sein Erbgut zu tragen und eine Stiefmutter zu haben, die sich an seine Schläge und Tritte erinnerte und Gott weiß was für unbewusste Rachegelüste mit sich herumtrug. Das war eine schwere Bürde. Sie aber auch Enno aufzuhalsen, nur damit der es nicht besser hatte, war nicht fair. Ihre Kinder waren nicht beide die Abkömmlinge von Gewaltverbrechern. Ihre Kinder waren die Abkömmlinge einer wunderbaren Frau, eines Gewaltverbrechers und eines Fremden.
    Bettina sperrte den Rachen weit auf und bewies ihren Kleinen, dass sie ein halbes Eclair in ihrem Mund unterbrachte. Enno machte dasselbe mit dem Rest seines Schokoladenkuchens. Und Sammy wollte sich ausschütten vor Lachen. Einen Moment lang fühlte Bettina sich ausgelassen und gut. Und mit dem Mund voller Vanillecreme und Zuckerguss dachte sie übermütig, dass, falls sich je einer fände, zumindest für Sammy ein Stiefvater eventuell doch ein Ersatz sein könnte.
     
    Als die Kinder im Bett waren, rief sie Krampe an. Der meldete sich kurz angebunden und hörte sich sehr nah an, dafür zumindest, dass er vielleicht noch in Italien war.
    »Sie sind in Italien, nicht?«, fragte Bettina.
    »Die Frau Boll«, sagte Krampe. Und etwas leiser: »Ich mach mal eine Pause. Moment. Bin draußen.«
    Jemand murmelte etwas, es raschelte, schließlich klickte es, und Krampe sog ganz nah an ihrem Ohr Luft ein. Automatisch tastete Bettina nach ihren Zigaretten.
    »Stimmt, wir haben uns heute nicht gesehen«, sagte er. »Und da rufen Sie mich gleich an. Sie werden mir bald so lieb wie meine Freundin Ballier.«
    »Ich wollte Sie an unsere Verabredung erinnern«, sagte Bettina, der nichts Besseres einfiel als die Wahrheit.
    »Sie wollten den Ovid sehen«, sagte Krampe.
    »Sie wollten mich mitnehmen«, sagte Bettina. »Am Samstagabend.« Krampe schwieg und Bettina war froh, eine Mission zu haben. Es musste ihr nicht peinlich sein, wenn sie aufdringlich war, denn sie wollte zur Party. Krampe war bloß das Vehikel dazu. Wenn er sie nicht mochte, war das egal. Sie stand auf, um auch vor die Tür zu gehen, eine rauchen. »Oder sind Sie dann etwa immer noch in Italien?«
    »Nein«, sagte Krampe. »Ich fliege morgen früh um halb elf. Ich überlege nur gerade, wie – tja. Wollen Sie wirklich dahin? Das wird echte Arbeit. Lauter wichtige Menschen. Klassische Musik. Trockener Wein. Und ich werde nicht viel mit Ihnen reden können, denn ich bin neben dem Ovid die Zweitattraktion.«
    »Dabei sehen Sie sicher viel besser aus«, sagte Bettina spontan und hätte sich am liebsten auf die Zunge gebissen.
    Krampe lachte leise. »Das ist nicht schwierig. Aber ich nehme es als Kompliment, Frau Boll. Und wenn das so ist … Vielleicht finden wir ja doch Zeit, den Ovid gemeinsam anzusehen. Dann können Sie detaillierte Vergleiche anstellen.«
    »Oh«, sagte Bettina, deren Wangen glühten. »Gut.« Sie stand im kalten Treppenhaus, doch fror nicht. Dafür ließ sie das Feuerzeug fallen, mit dem sie soeben ihre Zigarette anstecken wollte. »Mist! Ich – Entschuldigung. Wann und wo sollen wir uns treffen?«
    »Am besten kommen Sie einfach hin«, sagte Krampe belustigt. »So wie Sie’s gewöhnt sind. Ich werde vermutlich schon den ganzen Tag da sein. Um acht Uhr geht’s offiziell los. Aber falls die Reden und Vorstellungsrunden Sie nicht interessieren, können Sie auch erst um halb zehn kommen.«
    »Oh«, sagte Bettina wieder. Sie suchte im Halbdunkel des Treppenhauses nach ihrem Feuerzeug. »Doch, das interessiert mich auch. Ich –«
    »Geht’s Ihnen gut?«, fragte Krampe.
    »Bestens«, sagte Bettina und bückte sich. »Ich hab nur mein Feuer fallen lassen.« Endlich konnte sie die Zigarette anstecken. »Die Sucht«, sagte sie entschuldigend.
    »Kenn ich«, sagte Krampe, und sie hörte, wie er Atem ausstieß.
    Einen Moment rauchten

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