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Die Herzen aller Mädchen

Titel: Die Herzen aller Mädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Geier
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mit einem eitlen Grinsen geschluckt. »Ein Guter in einer Welt aus schwarz und weiß. Interessant war nur seine Wirkung auf andere. Die allerdings war großartig. Er hat jeden, sein ganzes Land, manipuliert, wie er es brauchte. Sodass jeder Satz von ihm wie eine Bombe fiel.«
    Gregor dachte an seine Mutter, trank einen Schluck Rotwein und fragte sich, ob Freestones Eifersucht für ihn gefährlich werden konnte. Es stimmte: Sein Vater hätte auch diesen unbekannten Ort sofort in eine Bühne verwandelt. Menschen wären um ihn herumgesprungen und hätten ihn nach fünf Minuten beim Namen gekannt. Und genannt. Der Engländer hingegen war klein und unauffällig. Er würde als Statist in jedem Film, als Möblierung für jeden Platz durchgehen. Sicher lebte er schon Jahre hier und hatte es gerade mal zu einem »Sera« und einem unaufgeforderten französischen Drink gebracht. »Mein Vater bewunderte Sie«, sagte er trotzdem und meinte es ehrlich.
    Freestone nippte an seinem Aperitif.
    »Er besaß ein Bild von Ihnen. Aus der Galerie Sox.« Sox war der einzige Ort, an dem Freestones Gemälde je legal und unter seinem eigenen Namen vertrieben worden waren.
    »Da wäre er einer von dreien«, sagte Freestone wegwerfend. »Das ist eine fromme Lüge, die ich Ihnen nicht glaube, schon gar nicht, wenn Sie so schauen mit Ihrem ungemütlichen German death look .« Er grinste. »Ihr Vater hätte nie die alte Sox ausgegraben, um mir zu schmeicheln. Er war ein Egomane. – Sie brauchen mich sehr, nicht wahr?«
    »Sie mich auch«, sagte Gregor.
    Freestone lächelte falsch. »Das ist ein Irrtum. Ich will Sie. Brauchen tu ich Sie nicht. Sie sind für mich nur ein Luxus, ein folly, sagt man das bei Ihnen auch?«
    »Eine Verrücktheit.« Gregors Ton war nun kalt.
    »Well, eine Verrücktheit.« Freestone grinste gehässig. »Meine Autobiografie ist nur ein kleines Geschenk fürs Alter. Ein Denkmal.« Er verschränkte die Arme. »Wer braucht schon ein Denkmal?«
    Du, dachte Gregor. Und holte seine Zigaretten hervor.
    »Haben Sie alles dabei?«, fragte Freestone.
    Gregor wies mit dem Feuerzeug auf seinen Koffer.
    Freestone winkte der blinden Fensterscheibe der Osteria. Die Bedienung kam überraschend schnell.
     
    Sie fuhren mit Freestones Jeep, einem schmutzigen, schlammfarbenen, verbeulten Gefährt, erst eine Straße, dann einen Feldweg, dann ein holperiges Stück durch grüne, summende Büsche, die in vierzehn Tagen und für den Rest des Jahres bräunliche, stachelige Macchia sein würden. Auf einer Lichtung, die Gregor auch nach hundert Besuchen nicht wiedergefunden hätte, stoppte Freestone sein Gefährt, sagte »Follow me«., stieg aus dem Auto und verschwand in einem Gebüsch.
    Gregor packte seinen Koffer, zerrte ihn aus dem Wagen und folgte. Schließlich stand er völlig zerkratzt auf einer kleinen Wiese, die eine uralte Kapelle umgab. Das Kirchlein war grau und verwittert, doch von klarer Form, mit einer ungeheuer dicken Holztür und alten bemoosten Alabasterfenstern zur Südseite. Einen Moment verschnaufte er und bewunderte den mächtigen Imperativ, der von dem kleinen Bauwerk ausging: Glaube!
    Es war Gregor immer schon passend vorgekommen, dass Freestones Versteck ausgerechnet eine Kirche war.
     
    Im Innern war das Bauwerk heller, als es von außen wirkte, da die Fenster der Nordseite vergrößert und verglast waren. Es herrschte Arbeitsatmosphäre. Eine große verkleckste Staffelei ersetzte den Altar, Tische mit Farbtiegeln waren überall aufgebaut, umgedrehte Leinwände lehnten an den Wänden, ein Bett und eine kleine Küche zeigten, dass hier auch gewohnt wurde. Auf einem Holzstuhl, der ganz genau in der Mitte des Raumes stand und zur Tür hin gerichtet war, als erwarte er einen Gast, lag ein einzelnes Buch.
    »Haben Sie alles fertig?«, fragte Gregor und ging darauf zu.
    Freestone hatte seinen Hut abgenommen und beobachtete Gregor lauernd. Er nickte kurz.
    Gregor blätterte. »Hervorragend.« Er sah auf. Freestones Augen leuchteten. »Was ist mit den andern?«
    »Erst will ich das Manuskript sehen«, sagte Freestone. »Ach ja, und ich hoffe, Sie haben genug Cash dabei, old boy. Das Material war teuer.«
    »Fünfzehntausend«, sagte Gregor.
    »Das reicht nicht.«
    »So viel war ausgemacht«, sagte Gregor.
    Freestone schüttelte den Kopf. »Ausgemacht war, dass Sie das Material übernehmen.« Er wies auf das Buch. »Für mich ist das hier auch neu. Es war aufwändig. Pergament ist nicht leicht zu bekommen. Codices hab ich noch nie

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