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Die Herzen aller Mädchen

Titel: Die Herzen aller Mädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Geier
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sie bloß, dann fingen sie gleichzeitig an zu reden. »Was machen Sie eigentlich in Pisa?«, fragte Bettina, und »Wissen Sie etwas Neues von meiner Mutter?«, wollte Krampe wissen.
    Sie lachten. Dann sagte Bettina ernst: »Nein, tut mir Leid.«
    Und Krampe: »Einen Buchhändler besuchen.« Er räusperte sich. »Ich muss jetzt auch wieder rein. Also dann, Frau Boll.«
    »Ja«, sagte die. »Bis Samstag.«
    Krampe zögerte. »Richtig«, sagte er. »Samstag.«
     
    Als Bettina auf den Aus-Knopf ihres Handys drückte, ließ sie prompt wieder das Feuerzeug fallen, obwohl sie sich gar nicht aufgeregt fühlte. Eher in Hochstimmung und ein klein wenig peinlich berührt wegen ihrer Ungeschicklichkeit. Sie setzte sich auf die Treppe und rauchte ihre Zigarette fertig, ehe sie das Feuer aufhob und in die Wohnung zurückging, die ihr erstaunlich warm vorkam. Dann machte sie eine Flasche Rotwein auf und zappte sich durch die Abendprogramme. Und erst, als sie im Bett lag und fast eingeschlafen war, stieß ihr vage auf, dass Krampe mit seinem Pisaer Buchhändler seltsamerweise Deutsch gesprochen hatte.
     
    * * *
    Lisa träumte. Das rote Kleid kratzte. Es war schön, aber nicht schön genug. Dabei war es das Beste, das sie überhaupt hatte kriegen können. Und ein schwieriges Kleidungsstück. Es passte nicht jeder, und es erforderte Haltung. Also richtiges Gehen, Schuhe mit Absätzen, den passenden BH und knalligen Lippenstift in dem einen besonderen Farbton, der über dem roten Stoff völlig natürlich aussah. Lisa konnte dieses Kleid tragen. Obwohl sie Autodidaktin war. Alles, was sie dafür brauchte, hatte sie sich selbst beibringen müssen, denn da, wo sie herkam, hielt man nichts von gewollter Schönheit. Nie hatte sie zu Hause anderes Feedback bekommen als: Ja, die Lisa, die hat die Augenbrauen von der Müllerseite, da kann man nichts machen. Erst als Georg in ihr Leben trat, entdeckte Lisa, dass man eben doch etwas machen konnte, und zwar eine Menge! Für Georg hatte sie rasend schnell gelernt. Zu gehen, zu reden, passende Lippenstifte und Parfüms auszusuchen, die Haare zu toupieren, Absätze und gewagte BHs zu tragen. Ach ja, und eine Pinzette zu benutzen. Hübsche Kleider nicht nur im Schrank zu horten, die dann beim seltenen Tragen kniffen oder hingen und jedenfalls übertrieben wirkten, wie an ihrer Mutter. Jeden Tag musste man das Schönste anziehen, was man gerade hatte, das war das Geheimnis! Aber immer gelassen bleiben in dem Wissen, dass im Notfall ein gutes Paar Schuhe und ein strahlendes Lächeln auch ausreichten.
    So war Lisa an das rote Kleid gekommen. Sie hatte es in einer französischen Boutique gekauft, einem kleinen, sehr edlen Laden, bei dem sie sich früher kaum getraut hätte ins Schaufenster zu gucken. Die Verkäuferin war begeistert gewesen, keine Spur von Arroganz, und sie hatte nur bestätigt, was der Spiegel ohnehin hinausschrie: Das Kleid sah einfach umwerfend an ihr aus. Lisa konnte es ganz und gar ausfüllen. »Ideal für den Honeymoon«, hatte die Verkäuferin geseufzt. »Meine Liebe, Sie sind die schönste Braut!« Schönste Braut. Ha!
    Sieben
     
    Den nächsten Vormittag verbrachte Bettina an ihrem Schreibtisch im Büro. Sie wartete ungeduldig auf eine Rückmeldung von Kriminalrätin Syra, doch die kam nicht. Einfach gar nichts. So saß Bettina auf glühenden Kohlen, beziehungsweise unbehaglich gegenüber von Nessa Kaiser. Die Lücke zwischen den Tischen klaffte nach wie vor, und die Neue schmollte. Sie hatte ihre Beweise zurück in den großen Pappkarton gepackt und kramte ständig raschelnd darin herum. Die Kiste stand nun im Durchgang zwischen den beiden Tischen, sodass Bettina jedes Mal drüber stolperte, wenn sie vorbei wollte. Doch besser als auf ihrem Arbeitsplatz war das Zeug allemal gelagert. Sie stolperte also gewissermaßen mit innerem Triumph, während Nessa Kaisers sparsame Kommunikation einen gefährlichen, rachsüchtigen Ton angenommen hatte. Die Frau würde sich zweifellos bei nächster Gelegenheit beschweren oder eine Mobbing-Kampagne gegen Bettina starten. Vielleicht hatte sie es bereits getan. Es war keine gute Atmosphäre zum Arbeiten. Und doch hatte Bettina gerade dann, wenn sie Kaiser und ihren Tüten gegenübersaß, ein besonders starkes Gefühl von Dejà-vu. Irgendetwas Bedeutsames war in diesem Raum, etwas Einfaches und Kleines, ein Ding, das Kaiser mitgebracht, ein Satz, den Bettina gedacht hatte. Ein Zeichen. Das Gefühl war so stark, dass Bettina ihre Akte ein

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