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Die Herzen aller Mädchen

Titel: Die Herzen aller Mädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Geier
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zuckte die Achseln und schwieg.
    »Frau Marny«, sagte Bettina.
    »Sie kennen die Verhältnisse hier im Haus«, sagte Jaecklein beifällig. »Wo würden Sie das Buch zuerst suchen?«
    Im Safe, dachte Bettina sofort. Nein, in der Bibliothek. Die musste man nicht der Versicherung vorführen. Bei dem Gedanken fiel ihr das Gespräch mit Marny wieder ein: Nimm den Unwahrscheinlichsten. Den Gärtner.
    »Bei einem der Bauleute, die hier arbeiten«, sagte sie ohne den geringsten Skrupel gegenüber Marc Schneider. Die Sache mit dem doppelten Schuhwerk würde Jaecklein vom BKA sowieso nicht ernst nehmen.
    Doch Jaecklein vom BKA reagierte anders, als Bettina vorausgesehen hatte. Er hörte sich die Geschichte mit dem sauberen Paar Schuhe an, nötigte Bettina, ihre Aufzeichnungen über Marc Schneider aus der Tasche zu kramen, las sie angespannt durch und stand dann auf. »Diesen Bauwagen«, sagte er, »den will ich sofort sehen.«
     
    Dazu mussten sie durch die Halle, und in der Halle hatten einige wichtige Menschen unter fortgeschrittenem Koffeineinfluss begriffen, dass ihre Anwesenheit in diesem Hause nur noch bedingt freiwillig war und dass man sie bis auf Weiteres festhalten würde, obwohl sie unaufschiebbare Termine hatten, die für den Weltenlauf und ihr Ego von höchster Dringlichkeit waren. Die Gesichter sahen jetzt wacher aus, und der Geräuschpegel war gestiegen. Ein Mann im schwarzseidenen Morgenrock schilderte seinem Tischnachbarn und allen Umsitzenden, wie sein Chagall gestohlen worden war: direkt aus dem Living Room! Trotz Alarmanlagen! Und da sei nicht das BKA mit einer Hundertschaft angerückt! »Zwei halbdebile Uniformierte!«, röhrte er in Syras Richtung. »Dorfpolizisten! An Spurensicherung nicht mal zu denken! Die haben mühsam zu Papier gebracht, dass ich beraubt wurde! Da sieht man mal die Unterschiede!«
    Syra ließ daraufhin das Handy sinken, in das sie eine Nummer getippt hatte, und musterte den Aufrührer intensiv.
    Der Mann verstummte und sagte merklich leiser: »Ich wünsche natürlich wie alle hier, dass Dr. Ritters Buch wieder auftaucht.«
    Syra nickte, drehte sich von ihm fort und hielt das Telefon ans Ohr.
    »Allein, damit wir endlich wegkommen!«, rief der Mann erbost und sah sich nach einem schwächeren Opfer um.
    Jaecklein zupfte Bettina eilig am Ärmel. Sie sah noch, wie Gregor an Marnys Seite bei den Ritters saß und eindringlich mit den Eheleuten sprach. Eigentlich redeten die hübsche Marny und Gregor gemeinsam. Sie saßen eng beieinander, blonder Kopf neben braunem Kopf, gestikulierten im gleichen Takt und blickten mit demselben ernsten Gesichtsausdruck mal die Ritters, mal Syra an. Bettina schienen sie gar nicht zu bemerken. Dabei war sie doch zumindest heute keine unauffällige Erscheinung. Auch jetzt wieder erntete sie viele Blicke. Tatsächlich war sie die Einzige, die noch die Klamotten vom vergangenen Abend trug. Alle anderen hatten Dezenteres, Frischeres an, ein paar Morgenröcke saßen dazwischen, vermutlich hatte man die Leute gleichzeitig aus den Zimmern komplimentiert, um effektiver suchen zu können. Nur Bettina sah man die letzte Nacht und das spontane Abenteuer an. Plötzlich dachte sie an ihre Kinder und ihre Wohnung und die neue Babysitterin, die sie vermutlich gleich wieder verlieren würde, weil sie am Sonntag nach einer Party direkt zum Einsatz gefahren war, das hatte nicht glaubwürdig geklungen und auch nicht solide, das hatte sich nach chaotischen Verhältnissen angehört und einer nachlässigen Mutter. »Dann geht es wohl nicht anders«, hatte die Babysitterin am Telefon gesagt, »aber die beiden erwarten Sie sehnsüchtig.«
    Gregor dagegen, sah Bettina mit einem letzten Blick zurück, vermisste sie nicht. Immer noch sprach er auf diese ernste, vertraute Weise mit der hübschen Marny, er trug ein schwarzes Jackett, sie eine weiße Bluse. Und wenn das keine Komplementärfarben waren, dann wusste Bettina auch nicht.
     
    Draußen wurde sie von einer überraschend warmen Frühlingsbrise empfangen. Der Wald um das Kloster hatte an Tiefe verloren, er wirkte so licht und harmlos, als sei er ein Park, Buschwindröschen blühten plötzlich überall, und die Luft roch nach Sonne. Jaecklein sprach munter über Sicherheitslücken. »… nicht nur die Sache mit dem Safe«, sagte er soeben und reichte Bettina die Hand, um ihr über eine Erdscholle zu helfen, die mit Pumps unbegehbar war. »Es ist auch so, dass die hier keine richtigen Schlösser an den Schlafzimmertüren haben.

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