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Die Herzen aller Mädchen

Titel: Die Herzen aller Mädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Geier
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abgesehen war er nur ein einziges Mal in Rom.«
    »Neunzehnhundertsechsundsechzig«, sagte Bettina.
    Gregor starrte sie an. »Auf seiner Hochzeitsreise.«
    »Vielleicht war das irgendein Spiel von deinen Eltern.«
    »Nein.«
    »Sie müssen ja nichts mit den Kommentaren zu tun haben«, begütigte Bettina.
    »Meine Eltern haben nichts mit dem Kodex zu tun«, erklärte Gregor kategorisch.
    Bettina beugte sich vor. »Dein Vater war freier Journalist, als er heiratete, stimmt’s?«
    »Ja.« »Und als er nach Rom fuhr, hatte er einen Rechercheauftrag vom Spiegel.«
    Gregor trommelte wieder auf sein Lenkrad, dann griff er ins Seitenfach, holte ein Päckchen Stuyvesant hervor und gab ihr zwei Zigaretten. Sie fand ihr Feuer und steckte beide an.
    »Nein«, sagte er nach dem ersten Zug. »Da war kein Auftrag vom Spiegel.«
    »Warst du dabei?«, fragte Bettina. Der Rauch kratzte in ihrem Hals.
    »Ich habe seine Biografie herausgegeben.«
    »Was steht denn da über die Hochzeitsreise?«
    »Dass sie nach Rom führte.«
    »Sonst nichts?«
    »Den Rest überließ er der Phantasie der Leser.«
    »Und im Tagebuch?«
    »Hör mal, die wenigsten Menschen schreiben in ihren Flitterwochen Tagebuch.«
    »Du weißt nicht, was er in Rom gemacht hat«, schloss Bettina.
    »Mich«, sagte Gregor gereizt. »Das reicht doch. – Wie kommst du auf diesen Blödsinn? Römische Bibliothek, Rechercheauftrag, Spiegel!«
    Bettina paffte. »Das ist kein Blödsinn. Das haben wir ermittelt. Dein Vater hat in der Bibliothek angeblich einen Interviewpartner getroffen.«
    »Wen?«, fragte Gregor sofort.
    Und das fragte sich Bettina jetzt endlich auch.
    Über Rosenhaag hing der düstere Schatten herben Verlusts. Viele Menschen waren in der großen Halle des Klosters versammelt, mehr vermutlich als am vorigen Abend während des Fests, doch heute drückten sie sich die Wände entlang und saßen stumm in den Sesseln, sahen schuldbewusst aus wie zufällige Überlebende einer großen Katastrophe und wünschten sich sichtlich weit fort. Der Hausherr thronte versteinert an einem Tisch im Hintergrund, vor sich eine Tasse, neben sich seine Ehefrau, die ihm etwas zuflüsterte, ohne Antwort zu erhalten. Die zahlreichen Gäste unterschieden sich vom Personal durch das Frühstücksgeschirr, das sie in Händen hielten, und die Angestellten wiederum von den Polizeibeamten durch den Gesichtsausdruck: Erstere blickten betroffen, während Letztere eher geschäftig aussahen, allen voran Kriminalrätin Syra, die schwarz und schmal den Raum dominierte. Sie sprach leise in ihr Handy, studierte dabei ein Papier, das sie in der Linken hielt, und warf dann noch einen Blick auf ein Klemmbrett, das ein Beamter ihr reichte. Als sie Bettina und Gregor sah, winkte sie beide zu sich. Sowie sie vor ihr standen, waren alle Zettel und Arbeitsgeräte wie durch ein Wunder aus Syras Händen verschwunden, und sie ragte klein, aufrecht und Respekt einflößend vor ihnen auf.
    »Frau Boll.« Sie musterte Bettina von oben bis unten.
    »Guten Morgen«, sagte die, wohl wissend, dass sie viel zu tief dekolletiert für diese Trauerversammlung war. Und zu rothaarig.
    »Zum Bericht ins linke Zimmer dort vorn«, befahl Syra knapp und wandte sich an Gregor. »Sie sind Herr Krampe? – Sie warten bitte hier.«
    Und damit waren Bettina und Gregor vorerst getrennt.
     
    Vorn in dem linken Zimmer war die Atmosphäre nüchterner, hier roch es nach Kaffee und Arbeit. Es war der Raum, in dem am Vorabend das Buffet aufgebaut gewesen war, nun stand ein langer, fahlbrauner Tisch darin, daran saß ein Mann mit einem Laptop und einem Packen Zettel vor sich. Als Bettina eintrat, sah er auf. Er öffnete den Mund, blickte auf seinen Computer, schaute wieder hoch und machte dabei ein dümmlich-erfreutes Gesicht, als sei Bettina soeben vor ihm dem Meeresschaum entstiegen. »Ich – guten Morgen. Also – ich werde Sie gleich aufrufen. Bitte – warten Sie draußen, ahm –«
    Bettina lächelte ihn an und er wurde knallrot. Eine Nacht mit Gregor, dachte sie. Unglaublich. Sie grinste, der Beamte schluckte. »Mein Name ist Boll«, sagte sie. » Bettina Boll.«
    Der Kollege verlegte sich aufs Lächeln. »Jaecklein«, sagte er, dann fiel ihm nichts mehr ein.
    »Frau Syra meinte, ich soll mich hier melden«, sprach Bettina. »Und Bericht erstatten. Ich bin vom Kl 1 in Ludwigshafen und –«
    »Ah!«, unterbrach Jaecklein und erhob sich halb von seinem Stuhl. »Also Sie sind diese, äh …«
    »Ich bin diese«, bestätigte

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