Die Herzensbrecherin: Roman (German Edition)
Das Rock-’n’-Roll-Mädchen, das die Haare so ausgelassen im Rhythmus der Stones geschwenkt hatte, glich einer alten Witwe. Beklommen erwartete Susannah, auch ihre Schwester würde sie verdammen. Aber Paige erwiderte nicht einmal ihren Blick.
»Komm, Paige«, forderte Cal schmallippig. »Mit dieser Person musst du dich wirklich nicht abgeben.«
Mitch fuhr Susannah nach Hause, und bot ihr an, bei ihr zu bleiben. Aber sie wusste, sie würde ihre Fassung nicht länger bewahren können, und so schüttelte sie nur stumm den Kopf. Bevor sie aus dem Cadillac stieg, neigte sie sich hinüber und presste ihre Wange an sein Kinn. »Danke«, wisperte sie, »ich danke dir so sehr.«
Leise spielte das Radio in der Küche. Sie erwartete, Sam anzutreffen. Stattdessen spülte Angela das Geschirr. Sie legte den Teller beiseite, den sie gerade abtrocknete, und öffnete die Arme. »Armes Baby.«
Da spürte Susannah, wie etwas in ihr zerriss. Sie eilte zu ihr wie eine Dreijährige, die mit einer lebensbedrohlichen Wunde zu ihrer Mutter lief. Herzzerreißend schluchzte sie in Angelas Armen, und die ältere Frau streichelte beschwichtigend ihren Rücken.
»Ja, ich weiß, ich weiß, Baby.«
Susannahs Nase begann zu laufen, Tränen tropften von ihrem Kinn auf den Blusenstoff über Angelas Schulter. Hatte eine andere Macht Besitz von ihr ergriffen? Was war mit der Frau geschehen, die niemals weinte? »Mein Vater ist tot, ich werde ihn nie wiedersehen.«
»Das weiß ich, Schätzchen.«
»Und ich konnte mich nicht von ihm verabschieden. Nie mehr werde ich eine Gelegenheit finden, alles wieder gutzumachen.«
»Zumindest hast du’s oft versucht.«
»Ich dachte nicht, dass er sterben würde. Wo er mir doch immer wie der Allmächtige vorkam.«
Angela führte sie zum Sofa ins Wohnzimmer, strich über ihre Arme, hielt ihre Hände.
Aber Susannah ließ sich nicht trösten.
»Von Anfang an habe ich ihn geliebt, und er hat meine Gefühle nicht erwidert.«
Besänftigend strich Angela ihr das Haar aus der Stirn.
»Nein, das stimmt nicht. Er hat dich geliebt. Das hat er mir erzählt.«
Bevor Susannah in ihrem Elend den Sinn dieser Worte erkannte, verstrichen mehrere Sekunden. Dann blickte sie auf und sah durch einen Tränenschleier Angelas verschwommenes Gesicht. »Was?«
Mit einem Fingernagel entfernte Angela eine nasse Strähne von Susannahs Wange. »Bis zuletzt war ich mit deinem Vater zusammen. Er fuhr mit mir nach Graceland, zu Elvis’ Begräbnis.«
»Graceland? Mein Vater?« Verständnislos starrte Susannah sie an.
»Wahrscheinlich wollte er’s gar nicht. Es ist einfach passiert.« Während Angela die Ereignisse schilderte, lauschte Susannah in wachsender Verblüffung. »An seinem Todestag sprach er von dir.«
Susannah fröstelte. »Was hat er gesagt?«
»Sei versichert, Suzie, er hasste dich nicht. Eher sich selbst.«
In Susannahs Ohren hallte Cals grausame Anklage wider. »Ich glaube, ich habe ihn umgebracht. Weil ich ihm etwas so Schreckliches antat. Wäre ich nicht weggelaufen, würde er noch leben.«
»Sag das nicht, Schätzchen«, protestierte Angela hastig und atemlos. »Du bist nicht verantwortlich für seinen Tod. In diesen letzten Stunden saßen wir auf Klappstühlen gegenüber vom Music Gate und warteten auf den Trauerzug. Wir redeten über dich – und über Sammy. Kurz bevor der Leichenwagen auftauchte, schaute Joel mir direkt in die Augen und gestand: ›Angela, es war ein schwerer Fehler, dass ich Susannah aus meinem Leben verbannt habe. Natürlich musste sie damals fortgehen. Das verstehe ich jetzt. Ich liebe sie, und sobald ich wieder in Kalifornien bin, werde ich’s ihr sagen.‹«
Stocksteif saß Susannah neben ihr auf dem Sofa. »Das hat er gesagt? Dass er mich liebt?«
»So wahr Gott mein Zeuge ist. Noch am selben Tag wollte er dich anrufen.«
Unter Susannahs gesenkten Wimpern quollen neue Tränen hervor. »O Angela ...« Die mütterliche Frau umarmte sie erneut und schenkte ihr, obwohl sie viel kleiner war, ein Gefühl der Geborgenheit. »Den Gedanken – er wäre voller Hass gegen mich gestorben, ertrug ich nicht.«
»Er hat dich unendlich geliebt, Schätzchen. Ständig betonte er, wie viel du ihm bedeutest.«
Nach einer Weile rückte Susannah von ihr weg und runzelte die Stirn. »Das erfindest du doch nicht, um mich zu trösten, Angela? Bitte, ich muss die Wahrheit wissen.«
Beschwörend drückte Angela ihre Hände. »Natürlich stimmt es. Ich bin eine Katholikin, Suzie. Würde ich die
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