Die Herzensbrecherin: Roman (German Edition)
letzten Worte eines Sterbenden nicht wahrheitsgemäß wiedergeben, wäre es eine Todsünde. Er liebte dich über alles. Das hat er in einem fort beteuert.«
Mit großen, aufrichtigen Augen schaute Angela sie an, und Susannah wünschte inständig, sie könnte ihr glauben. Aber obwohl die Trauer gewisse Sinne betäubt hatte, schärfte sie andere. Und während sie ihre Schwiegermutter forschend betrachtete, erriet sie, dass Angela das Blaue vom Himmel herunterlog – von ihrem liebevollen, großzügigen Herzen getrieben.
Am Abend kam Sam mit einem teuren, handgestrickten Schal nach Hause, den sie vor ein paar Wochen in einer Boutique bewundert hatte. Sein Verschwinden erwähnte er nicht, und sie war zu erschöpft, um ihn danach zu fragen. Während sie den Schal in der untersten Schublade ihrer Kommode verstaute, sagte sie sich, niemand sei vollkommen und sie müsse lernen, Sams Fehler zu akzeptieren. Aber in der ehelichen Beziehung war ein Riss entstanden.
Mehrere Wochen verstrichen, bevor sie erfuhr, ihr Vater habe sie enterbt. Sein gesamtes Vermögen hatte er Paige hinterlassen – mehrere Millionen Dollar und einen Großteil der FBT-Aktien. Nicht der finanzielle Verlust stürzte Susannah in neue Verzweiflung, sondern der endgültige Beweis für Daddys unversöhnliche Haltung.
Wochenlang stritt Sam mit ihr, weil sie sich weigerte, das Testament anzufechten. Sogar den toten Joel Faulconer hasste er, weil der Mann seine Adoptivtochter geprellt hatte. Aber das Geld bedeutete ihr nichts. Sie wollte ihren Vater ins Leben zurückholen, eine weitere Chance bekommen.
Manchmal glaubte Susannah, nur die Arbeitslast würde ihr über die nächsten Monate hinweghelfen. Sie fand wenig Zeit, um in Trauer oder Gewissensqualen zu versinken oder zu entscheiden, wie sie den Rest ihres Daseins ohne eine Versöhnung mit ihrem Vater verbringen sollte. All die Stunden, die sie einer eingehenden Selbstbetrachtung gewidmet hätte, musste sie opfern, um SysVal über Wasser zu halten. Ironischerweise erwies sich der Erfolg noch schädlicher für die kleine Firma als ein Fehlschlag.
»Um Himmels willen, würdest du dich entspannen?« Wütend wanderte Sam vor der Rezeption von Hoffman Enterprises umher, einer der renommiertesten Risikokapitalfirmen in San Francisco. »Wenn die sehen, wie deine Nerven flattern, wirst du’s glatt vermasseln. Das meine ich ernst, Suzie. Und wenn du Mist baust ...«
Mitch warf die Zeitschrift auf ein Tischchen, die er zu lesen vorgegeben hatte. »Halt bloß den Mund! Warum lässt du dir diesen Unsinn gefallen, Susannah? An deiner Stelle, Sam, würde ich mir überlegen, was ich da drin sagen will, statt meine Frau zu schikanieren!«
»Warum rutscht du mir nicht den Buckel runter?«
»Und warum bist du unfähig ...«
Irritiert fuhr Susannah herum. »Hört auf! Wir sind alle nervös. Wenn einer auf den anderen losgeht, wird’s nicht besser.«
Von Anfang an hatten Mitch und Sam gestritten. Aber in den vier Monaten seit Joel Faulconers Tod war es noch schlimmer geworden. Während sich die Beziehung zwischen den beiden Männern verschlechterte, kamen Susannah und Mitch einander immer näher. Niemals würde sie vergessen, wie teilnahmsvoll er sie zur Beerdigung ihres Vaters begleitet hatte.
Diese letzten Monate waren überaus problematisch für sie gewesen – nicht nur wegen ihrer persönlichen Krise, auch SysVal steckte in tiefen Schwierigkeiten. Obwohl jede Woche neue Bestellungen für den Blaze eintrafen, ging der Firma das Geld aus. Nachdem Sam seiner Frau einen vernichtenden Blick zugeworfen hatte, tigerte er wieder auf und ab, und Mitch grübelte vor sich hin. Sie wanderte zu einem Fenster, starrte das Meer und die Golden Gate an, die fernen, verschleierten Umrisse der Marin Headlands, einer schmalen Bergkette. Gegen die Glasscheiben des Wolkenkratzers prasselten Regentropfen und passten exakt zu Susannahs Stimmung.
Jedes Mal, wenn sie Sams Unterstützung am dringendsten brauchte, zeigte er sich von seiner schlimmsten Seite. Zum Beispiel an diesem Tag. Von der Besprechung, die ihnen bevorstand, hing alles ab. Wenn sie die dringend benötigte Finanzierung nicht erhielten, würde SysVal wohl kaum überleben. Wegen des ständig wachsenden Interesses am Blaze hatten sie dauernd neues Personal engagiert, die Büroräume vergrößert und Subunternehmer mit der Herstellung diverser Maschinenteile betraut. Und das alles innerhalb kürzester Zeit. Jetzt konnten sie ihre Rechnungen nicht mehr bezahlen.
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