Die Herzensbrecherin: Roman (German Edition)
Auf dem Papier künftiger Bestellungen existierte das Geld – aber nicht in ihren Händen. Von
Anfang an war ihnen die Gefahr des unzulänglichen Kapitals bewusst gewesen. Und nun hatten Susannah und Mitch ausgerechnet, wegen der prekären finanziellen Lage würde SysVal in spätestens dreißig Tagen zusammenbrechen. Ohne Risikokapital waren sie verloren.
Während Susannah am Fenster stand, betrachtete Mitch ihren kerzengeraden Rücken. Im letzten Jahr hatte er sie lieb gewonnen, und er sorgte sich um sie. Der Tod des Vaters hatte sie viel zu stark belastet. Und SysVal stellte sie mit jedem Tag auf eine härtere Probe. Sam half ihr kein bisschen. Je öfter Mitch die beiden zusammen sah, desto deutlicher erkannte er, wie schamlos sie von ihrem Ehemann ausgenutzt wurde. Was sie zu bieten hatte, nahm er skrupellos entgegen. Und er gab ihr fast nichts.
Wie wichtig dieser Termin war, wussten sie alle. Klar, es gab noch andere einschlägige Unternehmen als Hoffman Enterprises, an die sie wegen einer Finanzierung herantreten könnten. Aber Mitch kaprizierte sich auf diesen Deal. Leland T. Hoffman war ein schlauer alter Fuchs, der das Risikokapital gewissermaßen erfunden und einige der größten Erfolgsgeschichten im amerikanischen Geschäftsleben finanziert hatte. Wenn er sein Geld in SysVal investierte, würde er die Firma wie kein anderer legitimieren.
Allmählich drang der Mikrocomputer ins Bewusstsein der Öffentlichkeit. Commodore hatte den PET eingeführt. Im ganzen Land stellten Radio-Shack-Läden den TRS-80 aus. Und SysVal hatte ebenso wie die Apple Computer Company eine kleine, aber treue Fan-Gemeinde gefunden. Würde das genügen, um einen Mann von Hoffmans Reputation für ein substanzielles Investment in SysVal zu gewinnen?
Eine Sekretärin führte sie in einen Konferenzraum, der von erlesenem Art déco dominiert wurde. Weißhaarig und wohlgenährt, saß Hoffman an einem Nussbaumtisch mit
gerillter Kante und blätterte in dem Aktenordner, den sie für ihn vorbereitet hatten. Er erhob sich ebenso wenig wie die sechs Männer rechts und links von ihm. Offensichtlich eine Einschüchterungstaktik, dachte Mitch und hoffte, das würde seine Partner nicht aus dem Konzept bringen.
Angesichts der opulenten Einrichtung kräuselte Sam die Lippen, dann ließ er sich in einen Sessel fallen, kippte ihn leicht nach hinten und streckte wie ein schmollender James Dean die Beine unter dem Tisch aus. Susannah lächelte freundlich. Nachdem sie Platz genommen hatte, ordnete sie ihre Papiere und glättete den Rock des konservativen hellgrauen Kostüms, das sie auf Mitchs Wunsch für diesen Anlass gekauft hatte. Was ihre Garderobe betraf, war er furchtbar pingelig, während er Sams Jeans und das Sportsakko ignorierte. Darüber ärgerte sie sich, und das wusste er. Aber er wollte an diesem Tag einen ganz bestimmten Eindruck erwecken, und dazu gehörte auch die Kleidung seiner Partner.
Endlich hob Hoffman den Kopf und inspizierte Mitch über seine Lesebrille hinweg. Dann richtete er seinen Blick auf Susannah.
»Hallo, Onkel Leland«, begrüßte sie ihn.
Benahe fiel Mitch aus seinem Sessel. Onkel Leland?
Dass sie Hoffman kannte, schien Sam genauso zu überraschen wie Mitch, der sie nur zu gern erdrosselt hätte. Wie konnte sie ihnen eine so wichtige Information vorenthalten?
»Freut mich, dich wiederzusehen, Susannah.« Hoffmans Stimme klang jovial und formell zugleich. »Also, was kann ich für dich und deine Freunde tun?«
Schweren Herzens ließ Mitch alle Hoffnung fahren. Hoffman nahm SysVal kein bisschen ernst. Dieser Zusammenkunft hatte er nicht zugestimmt, weil er SysVal unterstützen wollte, sondern nur, um Susannah einen Gefallen
zu erweisen. Am liebsten hätte Mitch seinen Kopf frustriert auf den Tisch geschlagen, und er vergaß seine Sorgen um Susannah, die ihn eben noch bedrückt hatten. Jetzt wollte er ihr nur noch den Hals umdrehen.
Für die erste Präsentation zuständig, ergriff sie ihren ledernen Aktenordner, stand auf und ging in die Mitte des Raums. Dabei wirkte sie so kühl und gefasst, dass sich sogar Mitch, der ihren wahren Zustand kannte, beinahe täuschen ließ.
»Gentlemen«, begann sie mit einem höflichen Lächeln, »zunächst möchte ich mich bei meinen Geschäftspartnern entschuldigen, weil ich ihnen verschwiegen habe, dass wir einen alten Freund der Familie treffen. Obwohl Leland und ich nicht blutsverwandt sind, war er ein langjähriger Bekannter meines Vaters und kennt mich fast so lange, wie
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