Die Herzensbrecherin: Roman (German Edition)
Vielleicht konnte sie Sam an diesem Abend überreden, früher mit der Arbeit Schluss zu machen. Zur Abwechslung ein Dinner daheim, ein Abend zu zweit – das wäre wundervoll. Wann hatte sie das zum letzten Mal erlebt? Daran konnte sie sich nicht mehr erinnern.
Entschlossen verdrängte sie die bedrückende Gewissheit, dass Sam keinen Abend allein mit ihr verbringen wollte. Sie hatte sich angewöhnt, bei ihrer Arbeit nicht an ihre Eheprobleme zu denken. Doch das war schwierig. Während sie vom Schreibtisch aufstand und aus dem Büro ging, konzentrierte sie ihre Gedanken auf die Firma.
SysVal gehörte zu den außergewöhnlichsten Privatfirmen der Welt. Dank Mitchs perfekter finanzieller Strategie besaßen die vier ursprünglichen Partner fantastische fünfzehn Prozent des Unternehmens. Daran dachte Susannah nur ungern. Diese Summe kam ihr fast unanständig vor.
Als sie um die Ecke in den nächsten Flur bog, traf sie die beiden Ingenieure, die das ferngesteuerte Auto ausprobierten. Eine Zeit lang plauderte sie mit ihnen und bewunderte ihr Spielzeug. Dann ging sie weiter, ohne die Blicke zu bemerken, die ihr folgten.
Obwohl sie keine Schönheit war, hatte sie etwas an sich, das die jungen SysVal-Techniker faszinierte. Vielleicht lag es an den engen Jeans, den langen schlanken Beinen oder an der Art, wie sie sich bewegte – hoch aufgerichtet und stolz.
Doch ihre Anziehungskraft beruhte nicht nur auf der äußeren Erscheinung. Da gab es auch noch das Aphrodisiakum ihres Reichtums, des wachsenden Einflusses, den sie auf eine von Männern dominierte Industrie ausübte. Alles in allem personifizierte die einunddreißigjährige Susannah eine hinreißende Kombination aus Stil, Sex, Verstand, Geld und Macht – und diese Qualitäten erschienen den brillanten jungen Männern, die aus aller Welt ins Valley kamen, um für SysVal zu arbeiten, unwiderstehlich.
Dauernd witzelten sie, wie es wohl wäre, mit ihr zu schlafen. Aber hinter dieser schlüpfrigen Fassade verbarg sich echter Respekt. Susannah war tough und anspruchsvoll – und nur selten unvernünftig. Im Gegensatz zu anderen Leuten.
Da Sam nicht in seinem Büro saß, ging Susannah weiter.
Die SysVal-Zentrale verteilte sich auf drei große Gebäude, in einem zwanglosen Campus-Arrangement gruppiert. Im Hauptgebäude lag Susannahs Büro, dessen Mittelteil weitläufig und offen wirkte, mit Glas- und Trennwänden, die nicht ganz bis zur Decke reichten. Aus einem der Labors tönte ein Joan-Jett-Song, und Susannah lief an mehreren Videospielern vorbei, die eine Nische in einem der bunt gestrichenen Flure okkupierten. Bei SysVal wurden die Grenzen zwischen Arbeit und Spiel absichtlich verwischt.
Zur Linken brannte Licht, und Susannah bog in diese Richtung. Obwohl es schon nach sechs Uhr war, erörterte das New Product Team immer noch die Probleme mit dem Blaze Wildfire, dem revolutionären neuen Geschäftscomputer, den sie innerhalb eines Jahres auf den Markt bringen wollten. Trotz der viel versprechenden Zukunft von Sams Wildfire-Projekt war der Blaze III der Ackergaul von SysVal, die Butter auf dem Brot. Diesen Computer kauften die Amerikaner für ihre Kinder. Er stand in kleinen Büros, die allmählich davon abhängig wurden, und er hatte – zusammen
mit seinen Vorfahren, Blaze I und II, vier Partner reich gemacht.
Aus einem der Konferenzräume drang Sams Stimme heraus. Susannah blieb in der Tür stehen und beobachtete ihn. Früher hatte allein schon sein Anblick heiße Feuerströme durch ihren Körper gejagt. Doch jetzt empfand sie wachsende Verzweiflung. Irgendwie musste sie die eheliche Beziehung wieder in Ordnung bringen. Aber wie sollte ihr das gelingen, wenn sie gar nicht wusste, was falsch daran war?
Rittlings saß er auf einem Stuhl, verkehrt herum, und dehnte den feinen Wollstoff seiner anthrazitfarbenen Hose. Die weißen Hemdsärmel waren bis zu den Ellbogen hochgekrempelt, der Kragen stand offen, die Absätze seiner italienischen Halbschuhe stemmte er gegen die Sprossen des Stuhls. Ringsum saßen mehrere junge Männer mit gekreuzten Beinen am Boden. Sichtlich verzückt lauschten sie seiner New-Age-Bergpredigt. Gesegnet sei der Mikrochip, dachte Susannah, denn seine Benutzer werden die Erde erben.
Die Angestellten liebten und hassten Sam gleichermaßen. Mit seinem Evangelisteneifer feuerte er sie an, das Unmögliche zu vollbringen. Andererseits kannte er keine Geduld, wenn ihm jemand schwächere Leistungen zumutete, und seine Kritik war
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