Die Herzensbrecherin: Roman (German Edition)
hinterlassen. Offensichtlich amüsierten sich die SysVal-Ingenieure wieder einmal.
Susannah rieb sich die Augen und strich eine verirrte kastanienrote Strähne aus ihrem Gesicht. Jetzt trug sie ihr Haar kürzer, in einem fransig geschnittenen Stil, der ihre prägnanten aristokratischen Züge milderte. Da an diesem Tag keine wichtigen Besprechungen auf dem Programm standen, war sie leger gekleidet, in einem korallenroten Sweatshirt mit Kapuze und engen Jeans mit geraden Beinen. An einem Handgelenk glitzerten zwei schmale Goldreifen, durch einen winzigen Manschettenknopf verbunden. Den dritten Finger der rechten Hand schmückte ein zweikarätiger Diamant im Marquis-Schliff. Mehr ist besser als weniger, hatte sie definitiv entschieden.
Aus einem Impuls heraus griff sie zum Telefon und wählte die Nummer, die sie direkt mit Mitchs Privatbüro verband. Noch bevor sein Apparat läutete, kam er zur Tür herein.
»Gedankenübertragung.« In seiner Vertrauen erweckenden, tröstlichen Nähe spürte sie, wie ein Teil ihrer Nervosität verflog. »Ich wollte dich gerade anrufen.«
Müde sank er in den Sessel gegenüber ihrem Schreibtisch. »Jemand hat einen BH im Flur liegen lassen.«
»Solange niemand oben ohne herumläuft, darfst du dich nicht beklagen.«
Von ihnen allen hatte sich Mitch am wenigsten verändert. Sein großflächiges Gesicht hatte sich ein wenig verhärtet. An den Schläfen zogen sich graue Strähnen durch das rotblonde Haar. Aber sein Körper wirkte so fit wie eh und
je. Mit siebenunddreißig war der geschäftsführende SysVal-Vizepräsident der Abteilung Verkauf und Marketing genauso kraftvoll gebaut wie der Footballer, der vor so vielen Jahren einen besonderen Platz in Woody Hayes’ Herz gewonnen hatte.
Der respektabelste Manager von SysVal, ein überaus gewissenhafter Schreibtischtäter, dachte sich nichts dabei, wenn er immer wieder quer über den Kontinent flog, um eines seiner Kids Fußball spielen zu sehen. Vor kurzem war er, dank seines wohltätigen Engagements in der Bay Area, von der gemeinnützigen Organisation Jaycees zum Mann des Jahres gewählt worden.
Zwischen Susannah und Mitch hatte sich im Lauf der Zeit eine tiefe Freundschaft entwickelt. Jetzt merkte sie ihm sofort an, wie erschöpft er war. Seit Monaten bemühte er sich unermüdlich um einen Multimillionen-Vertrag mit dem Staat Kalifornien, damit SysVal den Blaze III in ein paar hundert staatlichen Ämtern installieren konnte. Dieses Kapital brauchte SysVal, um die Arbeit am Wildfire zu vollenden und den neuen Geschäftscomputer vor der Konkurrenz auf den Markt zu bringen. Unglücklicherweise bewarb sich auch FBT um den Deal, und Cal Theroux legte sich mächtig ins Zeug, um die Abgeordneten zu Gunsten des Falcon 101, dem neuen Personalcomputer von FBT, zu beeinflussen. Einerseits war das Konzept des PC durch den Einstieg großer Konzerne wie IBM und FBT gefördert worden, andererseits hatte dies die Situation kleinerer Firmen erschwert.
»Sei ehrlich zu mir«, bat Mitchell und streckte die langen Beine aus. »Findest du mich spießig?«
»Spießig? Du? Wie kommst du denn darauf ?«
»Das ist kein Witz, ich will’s wissen.«
»Meinst du’s ernst?«
Mitch nickte.
»Ja. Du bist furchtbar steif und spießig.«
»Oh, besten Dank – vielen herzlichen Dank.« Mit schmalen Augen starrte er sie an, die gekränkte Würde in Person.
Susannah lächelte. »Hängt diese plötzliche Selbstanalyse irgendwie mit deiner Beziehung zu der schönen, talentierten und unheilbar widerwärtigen Jacqueline Dane zusammen?«
»Unsinn, Jacqueline ist nicht widerwärtig, sondern eine der besten Schauspielerinnen in diesem Land.«
»Und stets bestrebt, auf sich aufmerksam zu machen. Hast du das TV-Interview letzte Woche gesehen? Da erzählte sie lang und breit, wie wichtig es doch sei, ernsthafte Filme zu drehen und ernsthafte Arbeit zu leisten. Dauernd fuhr sie mit allen Fingern durch ihr Haar, als hätte sie die Krätze oder so was Ähnliches. Noch nie habe ich ein Interview mit der Frau gehört, in dem sie nicht den Yale-Magister raushängen ließ. Außerdem kaut sie an den Fingernägeln.«
Mitch warf Susannah einen frostigen Blick zu. »Wär’s dir lieber, ich würde mich mit jungen Flittchen amüsieren, so wie Yank?«
»Sicher würdet ihr euch einen Gefallen tun, wenn ihr euere Frauen für ein paar Monate austauscht. Yank braucht jemanden mit einem Intelligenzquotienten, der etwas höher wäre als die Geschwindigkeitsbegrenzung. Und du
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