Die Herzensbrecherin: Roman (German Edition)
solchen Emotionen fähig. Susannah hatte ein Gefühl in ihm geweckt, das noch am nächsten an Liebe herangekommen war. Und es hatte zur schmerzlichsten Demütigung seines Lebens geführt.
Sechs Jahre später drehte sich sein Magen immer noch um, wenn er sich entsann, wie er vor dem Traualtar gestanden und Susannah zu diesem Motorrad hatte laufen sehen.
Statt den Rachedurst zu stillen, hatten die letzten Jahre ihn noch geschürt. So lange war er geduldig gewesen. Zu Joels Lebzeiten hatte er, von dem alten Mann an notwendigen Maßnahmen gehindert, die Hände in den Schoß legen müssen. Und nach Faulconers Tod, unter Paul Clemens’ Kommando, befand sich Cal in einer zu unsicheren Lage, um sich den Luxus irgendwelcher Risiken zu gönnen. Das hatte sich nun dank des erfolgreichen Falcon 101 geändert.
Seine Sprechanlage schaltete sich ein und unterbrach Nicoles Monolog über die Frage, ob das Kleid, das sie für den abendlichen Empfang gewählt hatte, dem Anlass entsprechen würde.
»Da ist Miss Faulconer, Sir«, verkündete die Sekretärin.
»Gut, sie soll hereinkommen.« Als er Nicoles Groll spürte, unterdrückte er ein Grinsen. Sie machte keinen Hehl aus ihrer Abneigung gegen Joel Faulconers jüngere Tochter. Doch das war okay, denn seine langjährige Freundschaft mit Paige hielt seine Frau auf Zack.
Die Tür flog auf, und Paige rauschte herein, schön und unbeschwert, die Haut von der Sonne vergoldet. Nachdem sie Nicole mit einem kühlen Wangenkuss begrüßt hatte, eilte sie zu Cal. »Warum hast du mich bloß gezwungen, wegen dieser grässlichen Zeremonie zurückzukommen, Calvin! In der Halle hat ein Fotograf meinen Knackarsch getätschelt. Selbst wenn er ebenfalls einen knackigen Arsch hatte – bei Körpergeruch ziehe sogar ich gewisse Grenzen.« Sie sank in seine Arme. »Halt bloß deine Zunge im Zaum, wenn du mich küsst, Schätzchen! Deine Frau schaut zu.«
Resignierend hauchte er einen keuschen Kuss auf ihre Lippen. Es war anstrengend, aber notwendig, Paiges Gesellschaft zu ertragen. Ironischerweise hatte nicht Susannah, sondern ihre jüngere Schwester ihm zur ersehnten Spitzenposition verholfen. Von Anfang an hatte sie die Verantwortung gehasst, die ein enormer ererbter FBT-Aktienanteil mit sich brachte. Bereitwillig beriet er sie und spendete ihr Trost. Ein Jahr nach Joels Tod bevollmächtige sie ihn, ihre Aktien zu verwalten, und er konnte diese Anteile bei den Abstimmungen im Aufsichtsrat nach Lust und Laune nutzen. Als Gegenleistung hatte er ihr versprochen, sie nie mehr mit FBT-Pflichten zu belästigen. Also ein Sieg auf der ganzen Linie ...
»Darum habe ich dich nur gebeten, weil es unumgänglich war«, beteuerte er.
Schmollend schürzte sie die Lippen. »Aber all diese langen Reden ! Ich verabscheue Reden.«
»Also wirklich, Paige«, mischte sich Nicole indigniert ein. »Das Leben besteht nicht nur aus Partys.«
»Wer behauptet das?« Paige setzte sich auf die Schreibtischkante und schlug die langen Beine übereinander. Wie Cal missbilligend feststellte, trug sie keine Strümpfe. Wenigstens wirkte ihr rohseidenes Kostüm angemessen, wenn er auch bezweifelte, dass sich ein BH darunter befand. Wehmütig
dachte er an die Zeiten vor Joels Tod. Damals hatte sie sich konservativ gekleidet und zumindest halbwegs würdevoll benommen. Sogar die Kleider ihrer Schwester hatte sie angezogen. Doch die Mühe war letzten Endes umsonst gewesen, denn sie hatte die Liebe ihres Vaters nicht gewonnen. Ein Jahr nach Joels Begräbnis war sie zu ihrem alten Stil zurückgekehrt – zur gleichen Zeit, in der sie ihr Abkommen mit Cal getroffen hatte.
»Monatelang habe ich dich in Ruhe gelassen«, betonte er. »Wäre es nicht so wichtig, hätte ich dich gewiss nicht gebeten, hierher zu fliegen.«
Mit schmalen Augen musterte sie ihn. »Natürlich musst du am Tag aller Tage mit mir fotografiert werden, nicht wahr, Calvin? Darauf kannst du nicht verzichten. Alle Welt soll zuschauen, wie Paige Faulconer symbolisch die Macht ihres Vaters abgibt.«
Manchmal war sie klüger, als er’s ihr zutraute, und er versuchte, sich stets daran zu erinnern.
Nicole stand nervös neben der Tür. Offenbar widerstrebte es ihr, ihren Mann mit Paige allein zu lassen. »Ich soll mich mit Madge Clemens treffen. Leider muss ich jetzt gehen.«
»In ein paar Minuten komme ich nach unten«, versprach er.
Da blieb ihr nichts anderes übrig, als die Tür hinter sich zu schließen. Paige musterte Cal mit zynischer Belustigung. »Weiß
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