Die Herzensbrecherin: Roman (German Edition)
SysVal-Stadthaus, das Susannah derzeit bewohnte, lag am Ende einer schmalen Straße, auf einem Berghang voller Mammutbäume und Eichen. An diesem Samstagmorgen nippte sie auf der kleinen Terrasse an ihrem ersten Kaffee und genoss die Einsamkeit, als es an der Tür läutete. Sie stellte die Tasse ab und lief ins Haus.
Auf dem Weg durch die Küche in die Diele hoffte sie, Mitch würde sie besuchen. Manchmal kam er am Samstagmorgen vorbei, und sie brauchte unbedingt eine Gelegenheit, mit ihm zu reden und ihre Interessen zu wahren – vor allem nach dem Streit in der letzten Woche. Aber nicht Mitch, sondern ihre Schwester stand vor der Tür. »Paige!«
»Bloß keine Gefühlsduselei! Seit unserer Trennung sind erst zwei Wochen vergangen.«
Susannah zog ihre Schwester über die Schwelle und umarmte sie stürmisch. »Endlose Wochen! Ich habe dich vermisst.«
Etwas länger als nötig erwiderte Paige die Umarmung, dann trat sie zurück. »Auf Sardinien war’s sterbenslangweilig. Letzte Nacht bin ich nach San Francisco geflogen.« Sie hängte ihre Handtasche an den Treppenpfosten, schaute sich in der winzigen Diele um und ging ins Wohnzimmer. »Was für ein Dreckloch!«
Das SysVal-Haus war zwar kein Palast, aber wohl kaum ein »Dreckloch«. Trotzdem protestierte Susannah nicht. »Hier wohne ich nur vorübergehend. Ich finde einfach kein
Apartment, das ich kaufen möchte. Wie hast du mich aufgespürt?«
»Ich habe Mitch angerufen. Was stimmt denn nicht mit ihm? Er war so komisch am Telefon.«
»Wahrscheinlich lag er gerade mit Jacqueline Dane im Bett.« Susannah hörte verblüfft, wie scharf ihre eigene Stimme klang. »Gehen wir in die Küche. Machst du uns ein Frühstück?«
»Wieso ich ? Ich bin gerade erst angekommen und bin der Besuch.«
»Das weiß ich, aber du kannst besser kochen als ich.«
Obwohl Paige das Frühstück unter wortreichem Gejammer vorbereitete, suchte sie in den Regalen nach Zimt, um die French Toasts zu würzen. Und sie beförderte die Brotscheiben erst auf die glühend heiße gusseiserne Platte, nachdem sie volle zehn Minuten lang in den geschlagenen Eiern gelegen hatten.
Genüsslich steckte Susannah den ersten Bissen in den Mund. »Ambrosia! Beinahe lohnt sich’s, deine schlechte Laune zu ertragen – nur um deine Kochkunst auszukosten.«
Paige aß nur die Hälfte ihres Toasts. Dann schob sie den Teller beiseite. Ihr Haar fiel wie zerknitterte Seide über die Schultern ihrer teuren Designerbluse, und sie sah todunglücklich aus.
»Was ist los?«, fragte Susannah und ließ ihre Gabel sinken.
»Eigentlich nichts ... Nichts und alles. Was zwischen dir und diesem Bastard passiert ist, den du geheiratet hast, war schrecklich, aber – die Wochen in Griechenland waren – ganz nett.«
Da Paige nicht zu emotionalem Überschwang neigte, kamen diese Worte erstaunlich nahe an ein Geständnis ihrer Zuneigung heran. Das wusste Susannah zu schätzen. »Da
hast du Recht, es war sehr – nett.« Sie spielte mit ihrem Besteck und fügte vorsichtig hinzu: »Auf Naxos hast du die große Schwester gespielt und ich die kleine. Das fand ich wunderbar. Aber jetzt muss ich wieder für ein paar Minuten die große Schwester sein.«
»Fabelhaft!«, spottete Paige verächtlich. »Genau das brauche ich, nachdem ich um die halbe Welt geflogen bin.«
Susannah griff über den Tisch hinweg und berührte ihren Arm. »Vermutlich weißt du gar nicht, was für ein großartiges Talent du besitzt, Schwesterherz – eins, das heutzutage nur noch selten vorkommt. Du bist die personifizierte mütterliche Fürsorge. Leider willst du’s nicht wahrhaben. Und ich glaube, deshalb bist du so unglücklich. Warum gibst du dir selber keine Chance?«
»Eine Chance – wozu?«, fauchte Paige. »Ich habe keinen Ehemann und keine Kinder. Und das so genannte starke Geschlecht ist eine einzige Katastrophe. Entweder schwul oder sexbesessen.«
»Hör mal, wir leben im Jahr 1982. Wenn eine Frau ihre Erfüllung finden möchte, muss sie nicht mehr unbedingt heiraten. Wieso siehst du dich nicht ein bisschen um, statt dein grauenhaftes Leben zu beklagen? Da gibt’s Kliniken voller kranker Kinder. Die würden deine Zuwendung brauchen. In vielen Schulen fehlen Hilfslehrkräfte. Und die Gemeindezentren suchen dauernd Freiwillige, die sich um alte Menschen kümmern.«
»Ich bin eine der reichsten Frauen von Kalifornien, Susannah. Soll ich die Pfadfinderinnen anrufen und verkünden, ich würde gern Kekse unter den Armen
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