Die Herzensbrecherin: Roman (German Edition)
zeichnete er Telefon-Zugangcodes auf einem Plan ein, hüpfte von einer Fernleitung zur anderen, über die Kommunikationssatelliten in aller Welt. Nur aus Jux und Tollerei rief er sich selber über mehrere Kontinente hinweg an – Tokio, Indien, Südafrika und noch vier oder fünf andere Nummern -, nur damit ein zweites Telefon auf dem Tisch neben ihm klingelte. Wegen des Zeitunterschieds konnte er tatsächlich mit sich selber reden.«
Ob sich der Mann so viel zu sagen hatte, überlegte Susannah in einem Anflug von Heiterkeit.
»Captain Crunch kennt sich mit der Konstruktion erstklassiger illegaler Boxen aus. Und sie eignen sich bestens für kostenlose Telefonate. Man braucht nur seinen Namen zu erwähnen, und schon dreht die Telefongesellschaft durch.«
»Das kann ich mir lebhaft vorstellen.«
»Jetzt ist er gerade auf Bewährung aus dem Knast gekommen.«
Susannah lächelte – etwas schuldbewusst, weil sie mit verschiedenen Mitgliedern des Bell-System-Aufsichtsrats gut befreundet war.
»Hier gibt’s viele Jungs, die das Telefonsystem knacken und einen Riesenspaß dabei haben.«
»Wegen seines formschönen Designs?« O Gott, ließ sie sich tatsächlich mitreißen?
»Klar, das allerbeste. Fantastisch.«
»Dein Design ist beschissen«, erklärte ein Junge voller Aknenarben einem Mann, der in einem Rollstuhl saß. »Ein Eimer voller Lärm.«
»Daran habe ich sechs Monate lang gearbeitet«, verteidigte sich der Behinderte.
»Trotzdem ist’s Scheiße«, beharrte der Junge.
Sam dirigierte Susannah zu einem der Tische, wo ein paar Zuschauer einen schlampig gekleideten, etwa zwanzigjährigen Mann mit dichtem Bart und dicken Brillengläsern umringten. Die Augen zusammengekniffen, starrte er auf einen Bildschirm, über den bewegte Ornamente glitten. »Steve Wozniak, der einzige Techniker, der Yank das Wasser reichen kann. Gemeinsam mit seinem Kumpel bastelt er an einem Ein-Platinen-Computer, und der ist so ähnlich wie die Maschine, die Yank und ich konstruiert haben. Ihren haben sie Apple genannt. Ziemlich komischer Name, was?«
Komisch? Das falsche Wort, dachte sie und musterte die merkwürdige Schar, die um Informationen bettelte. Obwohl sie nur einen kleinen Teil der technischen Ausdrücke verstand, die ihr um die Ohren flogen, spürte sie den Enthusiasmus, der diese Leute beflügelte.
»Hier gibt’s keine Geheimnisse, jeder teilt sein Wissen mit allen anderen – ein Hacker-Erbe aus den Sechzigern.« Sam zeigte auf den Jungen, der mit den drei älteren Männern stritt. »Im Homebrew wird man nach seinen Kenntnissen beurteilt und nicht danach, wie alt man ist oder wie viel Geld man verdient. Ganz anders als bei FBT, nicht wahr?«
Über sein Gesicht glitt ein Schatten, und sie ahnte, was in ihm vorging. Obwohl er sie um einen Termin bei ihrem Vater gebeten hatte, bedauerte er die Notwendigkeit, mit FBT zu verhandeln, und sie ärgerte sich über seine Vorurteile.
»Komm, ich mache dich mit Yank bekannt.«
Während er sie zum Vorderteil des Auditoriums führte, begrüßte er einige Clubmitglieder. So wie Steve Wozniak im Hintergrund des Raums, saß auch Yank Yankowski inmitten eines vielköpfigen Publikums und starrte einen Bildschirm
an. Der war mit einer Leiterplatte verbunden, die so aussah wie das Gerät in Sams Koffer.
»Ein paar Minuten wird’s dauern, bis er Notiz von mir nimmt. Wenn er sich in irgendwas verbeißt, ist er manchmal ...« Abrupt verstummte Sam, als er etwas weiter vortrat und den Monitor inspizierte. »Heiliger Himmel!«, rief er enthusiastisch. »Yank hat’s tatsächlich geschafft! Alles in Farbe!« Susannah schien nicht mehr zu existieren. Aufgeregt drängte er sich durch die Menge, die den Tisch umzingelte, zu Joseph »Yank« Yankowski vor.
Nach Susannahs Meinung gehörte Yank zu den bemerkenswertesten Typen im Auditorium. Fast eins neunzig groß, überragte er Sam um einen halben Kopf. Er trug eine Brille mit dicken Gläsern und schwarzem Pastikgestell. Unglaublich dünn, fast ausgemergelt, hatte er eine hohe, fliehende Stirn unter braunem Haar mit Bürstenschnitt, ausgeprägte Wangenknochen, eine lange Nase und spindeldürre Beine. Vielleicht wäre er halbwegs attraktiv, würde er zwanzig Pfund zunehmen, seine Haare ordentlich schneiden lassen, Kontaktlinsen benutzen und Sachen anziehen, die nicht so aussahen, als hätte er darin geschlafen. Aber so, wie er sich präsentierte, würde zum Beispiel Paige ihn für völlig ausgeflippt halten.
Susannah verfolgte interessiert
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