Die Herzensbrecherin: Roman (German Edition)
hölzerne Zollstock, den ihr die Großmutter in der Kindheit auf den Rücken geschnallt hatte. An diesem Abend würde sie nicht hierher kommen ... Das hatte sie sich den ganzen Tag eingeredet – und dann mit Madge Clemens telefoniert, um das Lunchprogramm für die Ehefrauen der regionalen FBT-Vizepräsidenten zu besprechen. Madge überlegte, ob Susannah jemanden einladen sollte, der was von »Frauenthemen« verstand, der allerletzte Schrei – oder vielleicht einen Gastredner? Und wäre es nicht nett, wenn alle Damen persönliche Musterbücher mit Kleiderstoffen erhielten? Plötzlich besann sie sich anders und verlangte, dieser wunderbare Doktor, von dem ihre Schwester erzählt habe, müsse unbedingt eingeladen werden.
»Wirklich, er ist fabelhaft, Susannah. Sein Vortrag würde jeder Dame wertvolle Anregungen geben. Sicher bringt er Dias mit. Und für die Menopause interessieren wir uns doch alle ...«
Susannah sagte kein Wort. Sekundenlang saß sie reglos da, dann legte sie langsam den Hörer auf die Gabel, mitten in Madges nächstem Satz. Das war furchtbar unhöflich – sogar unverzeihlich. Aber ihre Hand hatte sich wie aus eigenem Antrieb bewegt. Zehn Minuten später war sie in den Mercedes gestiegen, um nach Palo Alto zu fahren.
»Tut mir Leid, dass ich so spät komme, Sam. Der dichte Verkehr – und ich ...«
»Haben Sie den Mut verloren?« Er schlenderte ihr entgegen, ein bisschen o-beinig, so als würde er auf seiner Harley sitzen.
»Natürlich nicht«, erwiderte sie kühl. »Ich habe mir nur zu wenig Zeit für die Fahrt genommen.«
»Alles klar.« Sam Gamble blieb vor ihr stehen. Bewundernd glitt sein Blick über ihren Mantel. Was ihn an diesem abgetragenen Kaschmirfummel so faszinierte, wusste sie nun wirklich nicht. »Wie alt sind Sie, Suzie?«
Fünfzig. Fünfundfünfzig. Reif für die Menopause. »Letzten Monat wurde ich fünfundzwanzig.«
»Großartig«, meinte er lächelnd, »ich bin vierundzwanzig. Wenn Sie viel älter als ich wären, hätten Sie alle möglichen Hemmungen, was uns beide angeht. Sie sehen eher wie dreißig aus.« Ohne zu merken, dass seine Bemerkung ziemlich ungalant klang, nahm er ihren Arm und zog sie zum Center. Offenbar registrierte er ihr Widerstreben, denn er hielt inne und runzelte die Stirn. »Sind Sie nicht an Leute gewöhnt, die sagen, was sie denken, Suzie? Also, ich hasse verlogene Scheiße – ich bin immer ehrlich. Das müssen Sie akzeptieren.«
»Auch ich bin ehrlich.« Was für eine lächerliche Antwort ... Und dann blamierte sie sich noch mehr, indem sie hinzufügte: »Das scheint niemand zu verstehen ...« Sie unterbrach sich erschrocken. Warum machte sie diesem Mann, den sie kaum kannte, ständig solche privaten Geständnisse?
Eindringlich schaute er sie mit seinen ausdrucksvollen dunklen Augen an. »Sie sind tatsächlich was Besonderes. Spitzenklasse. Elegant, kompetent, wie ein fantastisches Design.«
Nach einem zitternden Atemzug zwang sie sich, beiläufig und zögernd zu sprechen, damit sie genug Zeit fand, um sich in ihr Schneckenhaus zurückzuziehen. »Nun – ich bin mir nicht sicher, ob es mir gefällt, dass sie mich mit einem Design vergleichen.«
»Ich weiß Qualität zu schätzen. Obwohl ich kein Geld habe, wünsche ich mir immer nur das Beste.«
Völlig unerwartet legte er einen Arm um ihre Schultern,
zog sie an sich, und ihr wurde fast schwindlig. Sein Blick schweifte über ihre Stirn und ihre Nase zu ihrem Mund.
»Bitte«, wisperte sie, »ich denke, das ist ...«
»Denk nicht, fühl einfach nur«, fiel er ihr ins Wort, und seine Lippen berührten ihren Hals.
Er war ein Verführer – ein Hausierer, der auf seiner Harley saß und Plunder verscherbelte -, ein Wanderprediger, der mit seinem Zelt von einem Rummelplatz zum anderen reiste und einem leichtgläubigen Publikum das ewige Leben verhieß – ein Hai, der auf der Brooklyn Bridge Aktien verkaufte. Ein Strichjunge. Das alles wusste sie. Ohne jeden Zweifel. Trotzdem konnte sie sich nicht von der Umarmung befreien.
Er neigte den Kopf herab. Mit feuchten, warmen Lippen, vital und elektrisierend, verschloss er ihr den Mund. So jugendlich wirkte er, so sinnlich, seine Haut so frisch und rau. Susannahs Hand glitt zu seiner Brust. Sie hungerte nach seiner Berührung, seinem Geschmack. Wie von selbst krallten sich ihre Finger in das Leder seiner Jacke. Unwillkürlich öffnete sie die Lippen. Ihre Zungen spielten miteinander – ihre zuerst nur zaudernd, seine quecksilbrig,
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