Die Herzensbrecherin: Roman (German Edition)
abhängen.
Mitch betrachtete ihre weiße Bluse mit der goldenen kreuzförmigen Nadel am Kragen und den grün karierten Faltenrock. »Keine Bange, du wirst das hübscheste Mädchen in der Klasse sein«, versicherte er ernsthaft.
Hand in Hand gingen sie zur Schule, ihre kleinen Finger schlangen sich zwischen seine größeren. Er spürte die Morgensonne, die sein Gesicht erwärmte, und verkürzte seine Schritte, damit Candy nicht rennen musste. Die Schultern gestrafft, hob er stolz den Kopf. An Candy Fullers Seite war er nicht mehr Mitchell Blaine, sondern Mitch – Mitch der Unbesiegbare. Mitch der Mächtige. Mitch der männlichste aller Männer.
»Glaubst du, die anderen Kids werden mich mögen?«, fragte sie.
Da stieg ein leichtes Unbehagen in ihm auf, eine vage Vorahnung. Aber er war Mitch der Furchtlose, Mitch der Tapfere, und so verdrängte er die unwillkommene Emotion. »Was die anderen Kids denken, sollte dir egal sein.«
Verständnislos starrte sie ihn an, und er erinnerte sich, dass sie zu den Cheerleadern gehört hatte – einer Gruppe, die gnadenlosen Konformismus verkörperte. Seine Besorgnis wuchs.
»Also glaubst du, sie werden mich nicht mögen?« Angstvoll runzelte sie die Stirn.
»Doch, natürlich.«
Der Morgenwind ließ die amerikanische Flagge flattern, als sie Hand in Hand die Schwelle der Schule überquerten. Sie waren verschiedenen Klassen zugeteilt, und Mitch hatte Candy versprochen, er würde bei ihr bleiben, bis es zum zweiten Mal läutete. Auf dem Weg durch den breiten Hauptflur wiegte ihn das Glück, die Clearbrook High an Candy Fullers Seite zu betreten, in trügerischer Sicherheit. Und so war er nicht auf die Hänseleien vorbereitet, nachdem er die Ecke bei den Schließfächern der Zweitklässler umrundet hatte.
»Oh, da ist Mi- chull !« Grinsend imitierten die Jungs seine Tanten. »Mi- chull , Mi- chull !« Zu fünft lehnten sie an den Metalltüren der Spinde, fünf kümmerliche Möchtegernhelden – allmächtig, indem sie sich zusammenschlossen.
»Wen hast du denn da, Mi- chull ? He, Baby, komm mal rüber und mach dich mit richtigen Männern bekannt!«
Erst schaute Candy die Jungs an, dann Mitch. Das Verhalten dieser Mitschüler verwirrte sie. So gut wie Mitch sah keiner aus, keiner war so groß und gut gebaut. Warum hänselten sie ihn?
Mitch versuchte tolerant und gutmütig zu erscheinen – ein erfahrener, gereifter Mensch, der sich mit unartigen Kindern herumschlagen musste. »Wann werdet ihr endlich erwachsen?«
Da schrien sie vor Lachen, brachen in Buhrufe aus, hämmerten mit den Fäusten gegen die Spinde und konnten sich gar nicht beruhigen vor lauter Begeisterung über seinen absurden Versuch, ihnen zu trotzen.
Entsetzt starrte Candy ihn an, und er las den bitteren Vorwurf in ihren Augen, den Zorn über sein Täuschungsmanöver.
Sie hatte geglaubt, sie würde durch ihn zur Elite der Clearbrook High gehören, und nun erkannte sie ihren Irrtum. Wieso war sie nur so dumm gewesen, sich mit einem Außenseiter zu verbünden?
Als er spürte, wie ihre Finger in seiner Hand erschlafften, erfüllte ihn fast panische Angst. Sie wollte weg von ihm – sie wollte sich von ihm distanzieren. In diesen wenigen Sekunden änderte sich alles. Ohne die Fakten zu kennen, ohne auch nur irgendetwas über seine Vergangenheit zu wissen, sah sie den Ausgestoßenen in ihm. Niemals hätte sie sich an seiner Seite zeigen dürfen.
Also würde er Candy Fuller verlieren. Sobald ihm das klar wurde, wollte er nicht mehr leben. Wenn er nicht Mitch der Tapfere sein konnte, der Candy Fuller beschützte, würde er Niemand sein.
Inzwischen hatten sich die Mädchen rings um die Jungs versammelt. Auch sie lachten. Aber ihr Amüsement wirkte gemäßigt, fast beiläufig. Da Mitchell schon so lange die Zielscheibe ihres Spotts war, erfolgten die Angriffe eher gewohnheitsmäßig als giftig. Irgendwie mochten sie den Jungen sogar, der sie seit so vielen Jahren erheiterte.
Jetzt zerrte Candy an seiner Hand. Verzweifelt versuchte sie sich von ihm loszureißen, den kleinen Schritt zu tun, der sie aus dem Inferno der Aussätzigen ins Königreich der Akzeptablen, der Glückseligen führen würde.
»Mi- chull , Mi- chull !«, rief Charlie Shields im Falsett. »Komm her, und lass dir die Windeln wechseln!«
Da erfasste ihn ein blauschwarzer Wirbelsturm voller Zorn und Schmerz. Qualvoll bohrte die Wut ihre Krallen in sein Fleisch. Aus seiner Kehle rang sich ein gellender Schrei, als er die kleine süße Hand
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