Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Herzensbrecherin: Roman (German Edition)

Die Herzensbrecherin: Roman (German Edition)

Titel: Die Herzensbrecherin: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Elizabeth Phillips
Vom Netzwerk:
Bücher und Musik, Wohltätigkeitsbasare in der Kirche und Häkeln, Blumen und gute Manieren. Und sie liebten ihn.
    Wie üblich knarrte die Gartenpforte, als er sie öffnete. In dem alten Haus knarrte und quietschte und knackte alles.
    »Mi- chull ! Mi- chull !«
    Sobald er die Eingangsstufen hinaufstieg, packte ihn Tante Amity. Erfolglos versuchte er, ihr seitwärts auszuweichen  – sie war zu schnell. Mit ihrer knochigen Vogelgestalt versperrte sie die Tür und riss ihn in die Arme. Während Charlie und Jerry aus der Ferne zuschauten, pflanzte sie einen Kuss auf seinen Scheitel, und er hörte gellendes Hohngelächter.
    »Bist du wieder gelaufen?«, fragte sie, glättete sein ohnehin glattes Haar und rückte seinen blütenweißen Hemdkragen zurecht. Grässlich, dieses Getue ... »Ach, du meine Güte, Mitchell, wenn ich dieses Keuchen höre. Wenn Theodora herausfindet, dass du gerannt bist, wird sie dich morgen nach der Schule leider nicht spielen lassen.«
    Auf diese Art disziplinierten sie ihn. Jedes Mal, wenn die eine ihn bei einer Unart ertappte, überließ sie es der anderen, ihn zu bestrafen. Stets fielen diese Denkzettel mild und fantasielos aus – kein Spiel nach der Schule, Sätze, die fünfzehnmal geschrieben werden mussten. Sie glaubten, dank ihrer wirksamen Methoden wäre er der manierlichste Junge von Clearbrook geworden. Wie verzweifelt er sich bemühte, ihnen Freude zu bereiten, weil er sie so sehr liebte – das verstanden sie nicht. Seine vergötterten Eltern hatte er bereits verloren. Und er fürchtete in der Tiefe seines Herzens, auch die Tanten würden sterben, wenn er nicht brav war.
    Ohne aufgefordert zu werden, wusch er seine Hände und setzte sich ans Klavier. Angewidert starrte er die Tastatur an. Er war völlig unmusikalisch, und er hasste die Lieder über Sonnenschein und artige kleine Indianer, die er üben musste. Viel lieber würde er draußen mit den Jungs Ball spielen.
    Das durfte er aber wegen seines Asthmas nicht. Das Keuchen störte ihn nicht mehr so sehr wie in seiner frühen Kindheit. Unglücklicherweise konnte er seinen Tanten nicht
klar machen, sein Zustand habe sich gebessert. Und so übte er Tonleitern, während die anderen Jungs Ball spielten.
    Doch die Tonleitern waren nicht das Schlimmste. Viel schrecklicher waren die Samstagvormittage.
    Die beiden Misses Amity und Theodora Blaine verdienten ihren Lebensunterhalt, indem sie Klavierstunden und Unterricht in gutem Betragen gaben. Jeden Samstagvormittag um elf Uhr erschienen die Töchter der vornehmsten Familien von Clearbrook in ihren Sonntagskleidern und klopften mit weiß behandschuhten Fingern höflich an die Tür der Misses Blaine.
    Beklommen stand Mitchell – in einem Anzug mit Krawatte  – neben seinen Tanten im Flur und sah die Mädchen eintreten. Eine junge Dame nach der anderen knickste und sagte: »Guten Tag, Miss Blaine – Miss Blaine – Mitchell. Vielen Dank für die Einladung.«
    Aus der Taille heraus, möglichst formvollendet, musste er sich vor Mädchen wie der fetten Cissy Potts verbeugen, die in der sechsten Schulklasse hinter ihm saß und ihre Nasenpopel auf die Lehne seines Stuhls schmierte. Und er wurde zu der Antwort gezwungen: »Freut mich, Sie wiederzusehen, Miss Potts.«
    Und dann musste er ihr auch noch die Hand schütteln.
    Die Mädchen nahmen im Salon Platz und lernten, wie man Leute einander in der richtigen Weise vorstellte, eine Aufforderung zum Tanz annahm und Tee einschenkte. Dabei fingierte Mitchell als Versuchskaninchen.
    »Danke, Miss Baker, ich würde sehr gern eine Tasse Tee trinken«, sagte er.
    Die schnippische Penelope Baker reichte ihm eine Tasse mit verwässertem Tee. Wenn die Tanten nicht hinschauten, streckte sie ihm die Zunge heraus. Alle Mädchen hassten den Unterricht im guten Betragen, den die Misses Blaine erteilten. Natürlich hassten sie auch Mitchell.
    Jeden Samstagvormittag balancierte er eine hauchdünne Porzellantasse auf den Knien, und seine Fantasie entführte ihn in ferne Länder, wo es keine weiblichen Wesen gab. Dort durfte ein Mann in den Dreck spucken und sich kratzen und einen Hund besitzen. Wenn er Mary Jean Simmons Hand umfasste und sie in die Mitte des Salons führte, um mit ihr zu tanzen, träumte er, seine Beine würden unter ihm wegfliegen und seine Hüften unsanft im Schmutz landen, wenn er beim Baseball das Schlagmal erreichte. Oder er beobachtete sich selbst bei einem spektakulären Dunking in einem Basketballmatch. Er träumte von

Weitere Kostenlose Bücher