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Die Herzogin, ihre Zofe, der Stallbursche und ihr Liebhaber

Die Herzogin, ihre Zofe, der Stallbursche und ihr Liebhaber

Titel: Die Herzogin, ihre Zofe, der Stallbursche und ihr Liebhaber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Victoria Janssen
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darum, dass ihre Wachen zum Auftreten der Frau gehörten, die vorhatte, mit Maxime zu verhandeln. Während der Tage auf der Straße war Camille eine andere gewesen, doch während sie sich Maximes Wohnsitz näherten, musste sie sich daran erinnern, wie es sich anfühlte, ein lebendes Symbol der Macht zu sein.
    Maxime lebte in der großen Burg seiner Vorfahren am Meer. Sie stand auf einem gigantischen Erdwall, von dem aus man einen weiten Blick über schroffe graue Felsen hatte, zwischen denen Tausende von kreischenden Seevögeln lebten. Camille hatte gehört, von den Burgtürmen aus könne man die Ziegen erkennen, die auf den Inseln ganz weit draußen in der Bucht lebten. Sie glaubte allerdings nicht, dass Maxime Ziegen ausspionierte. Er beobachtete die Schiffe, die an seinem Küstenstreifen entlangfuhren, und notierte sich von jedem einzelnen das Herkunftsland, die Größe, die Fracht, den Tiefgang und die Bewaffnung. Jeder Kapitän, der in Sichtweite die Anker warf, kam an Land und zahlte Liegegebühren, von denen jeden Monat ein Zehntel landeinwärts zum Herzogspalast geschickt wurde. Da sie die Höhe dieses Anteils kannte, wusste Camille, welch unvorstellbar hohe Summen für Liege- und andere Gebühren Maxime einnahm – und wäre sie Maxime gewesen, hätte sie dem Herzog niemals die volle Summe ihrer Einkünfte genannt. Diese Einnahmen beinhalteten sicher auch geschmuggelte Luxusgüter, Gegenstände, auf denen im restlichen Herzogtum eine hohe Steuer lag, von edlen Schnäpsen über purpurrote Seide bis hin zu seltenen, in exotischen Ländern gezüchteten Schoßhündchen.
    Der Tag war heißer als all die Tage zuvor, und sie hatte es für klug gehalten, dem Maultier und den Pferden eine Rast zu gönnen, bevor sie auf den Burgberg hinaufritten. Auch sie selber konnte etwas Zeit gebrauchen, um sich zu sammeln. Eine Gruppe windzerzauster Bäume mit einer Quelle und einem Wassertrog schien wie geschaffen zu diesem Zweck. Camille zog sich das Tuch, das sie sich um den Kopf gewickelt hatte, ein wenig aus dem Gesicht und nahm es dann doch ganz ab. Die Straße zur Burg hinauf war recht belebt, aber ihr abgeschnittenes Haar würde dafür sorgen, dass sie nicht erkannt wurde. Und falls doch, nun, das war ihr inzwischen fast egal. Sie war es müde, sich ständig zu verstecken, es war zu schwierig, Kaspar und Arno zu verkleiden, und sobald sie mit den beiden Eunuchen neben sich in der Öffentlichkeit erschien, würde ihre aristokratische Stellung nur zu offensichtlich sein.
    Sie schaute zu Henri hinüber, der die Pferde grasen ließ, und sah dann Sylvie an, die gerade aus ihrer Wasserflasche trank. Es war vielleicht besser, so zu tun, als wären diese beiden für sie lediglich Dienstboten und nicht mehr, und sie auch in den Dienstbotenunterkünften wohnen zu lassen. Sie konnte sich während der Verhandlungen mit Maxime keinerlei Ablenkung leisten, und vielleicht würde es ihn stören, dass sie diese beiden jungen Leute wichtiger nahm als gewöhnliche Untergebene. Vielleicht dachte er dann, sie wäre verrückt geworden oder so hilflos, dass sie bei jeder Schwierigkeit Rückhalt haben musste, oder ganz einfach so verdorben wie ihr Gemahl. Vielleicht sollte sie schlicht aufhören, sich Gedanken darüber zu machen, was Maxime wohl denken würde. Ihr Verhältnis zu ihren Dienern ging ihn nichts an. Nach allem, was sie über ihn wusste, ging es in seinem Haus verderbter zu als bei ihr.
    Ihre Verhandlungen mit Maxime mussten im Mittelpunkt ihrer Aufmerksamkeit stehen. Obwohl sie Maxime zwanzig Jahre nicht gesehen hatte, hatte sie während dieser Zeit von ihm verfasste Dokumente gelesen, ganz besonders Urteilssprüche. Er war sowohl intelligent als auch gerissen und durchtrieben. Camille verfügte ebenfalls über einige dieser Eigenschaften – sonst hätte sie sie seinen Schriftstücken nicht entnehmen können –, aber sie hatte sich nicht wie er zwei Jahrzehnte lang täglich in geschäftlichen und diplomatischen Fragen üben können. Hinter ihr lagen lediglich zwei Jahrzehnte genauer Beobachtung, in denen sie viel nachgedacht, aber selten gehandelt hatte.
    Maxime hatte wahrscheinlich nicht dieselbe Kenntnis über sie, wie sie über ihn. Ihre Aufzeichnungen über Gerichtsverhandlungen waren nicht öffentlich, und in letzter Zeit hatte es natürlich gar keine gegeben. Ihre Briefe an ihn – die sie ihm normalerweise schrieb, um ihm für irgendetwas zu danken, was er ihr geschickt hatte – waren auf kurze Neuigkeiten über ihre

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