Die Herzogin, ihre Zofe, der Stallbursche und ihr Liebhaber
Zeitpunkt war sie kühl geblieben, hatte ihren Zorn und ihren Ärger hinter einer Mauer aus Eis verborgen, doch nun brachen diese Gefühle über sie herein, überschwemmten sie wie geschmolzenes Metall. Was hatte dieser Mann sich dabei gedacht? Was erlaubte sich dieser dahergelaufene Bote und ruinierter Spekulant, ihre Flucht verhindern zu wollen, nur um eine läppische Belohnung einzustreichen? Was erlaubte er sich, sie oder irgendeine andere Frau wie Abschaum zu behandeln?
Sie erinnerte sich, wie seine Hände sich auf ihrem Körper angefühlt, wie sie sich in ihr Fleisch gegraben hatten, und erschauderte. Nun, da es zu spät war, wünschte sie, sie hätte Henris tröstende Umarmung angenommen, nachdem sie Freiheit und Sicherheit erlangt hatten. Nun lechzte sie nach dem Trost, den sein Körper spenden konnte. Wenn sie das nur bekommen könnte, ohne dass er bemerkte, wie sehr sie es brauchte, wie sehr sie ihn brauchte. Vielleicht würde sie sich stark genug fühlen, Henri ihre Schwäche zu zeigen, nachdem sie Michel besiegt hatte.
Falls – das war die Frage – Henri bei ihr blieb. Würde er mit ihr ins Herzogtum zurückkehren, sich in diese Gefahr begeben, oder würde er lieber hierbleiben? Ohne es zu bemerken, war sie lange davon ausgegangen, dass Henri etwas für sie empfand, aber in solchen Dingen hatte sie sich schon häufiger getäuscht, am offensichtlichsten, was Michel betraf.
Gefühle und Sehnsüchte – diese Dinge waren gefährlich. Selbst wenn man sie einem Jungen zeigte, der keinerlei Rang und Stellung hatte. Falls er keinen Verrat an ihr übte, würden ihre Gefühle diesen Verrat begehen und sie zu den schlimmsten Torheiten verführen. Ganz besonders jetzt, da es so wichtig war, einen klaren Kopf zu bewahren.
Eine kalte Ruhe kam über sie, als sie den Entschluss fasste. Sie konnte – wollte – sich von Henri zurückziehen, und damit würde auch das Durcheinander aufhören, das er in ihrem Kopf und ihrem Herzen anrichtete. Logik und ihr praktischer Verstand würden sie durch die gefährlichen Fahrwasser geleiten, die vor ihr lagen. Sie hatte sich eine angenehme Zerstreuung gegönnt, doch nun war es Zeit, in ihr wahres Leben zurückzukehren.
21. KAPITEL
N ach einem langen Tag, angefüllt mit Übungen im Ringen und Messerkampf mit Kaspar und Arno und dem Benimmunterricht durch Maxime, war Henri hocherfreut über Camilles Einladung, mit ihr gemeinsam die heißen Quellen zu genießen. Er hoffte, ihr Vorschlag bedeutete, dass sie sich nun darauf einließ, ihn in ihre Pläne einzubeziehen. Tagelang hatte er keine Gelegenheit gehabt, mit ihr allein zu sein, und seit ihrer Ankunft auf Maximes Burg hatten sie nicht mehr das Bett miteinander geteilt. Es war ein seltsames Gefühl, nun plötzlich allein mit ihr zu sein. Er fühlte sich seltsam. Anders. Mit geschlossenen Augen lauschte er den Geräuschen, die sie beim Baden machte.
Plötzlich hörte das Wasserplätschern auf, und als ihm die Stille bewusst wurde, flogen seine Lider auf. Offenbar war er eingeschlafen, denn wie aus dem Nichts stand Camille vor ihm, ein seifiges Tuch in der Hand. Das farbige Licht der Lampen schimmerte in ihren Augen. “Entschuldigung”, stieß er hervor und hatte Mühe, auf der schmalen Ruhebank das Gleichgewicht zu halten. “Was kann ich für Euch tun?”
Camille berührte seine Schulter. “Sitz still”, befahl sie, als ob er die Absicht gehabt hätte, davonzulaufen.
“Ich dachte, Ihr wolltet …”
Sie presste die Lippen auf seine. Henri ließ bewegungslos zu, dass sie ihn küsste. Als es ihm endlich gelang, seine Hände dazu zu bringen, ihm zu gehorchen, und er sie hob, um Camille zu umarmen, hatte sie sich bereits wieder zurückgezogen und angefangen, seine Brust einzuseifen. Er ließ die Arme wieder fallen. “Ihr solltet das nicht tun. Ich kann mich selbst waschen.”
“Ich kann tun, was mir gefällt”, widersprach sie. “Sitz still. Mach die Augen zu.”
“Aber es ist nicht …”
“Ich habe dich nicht nach deiner Meinung gefragt.” Sie stockte. “Wenn du es unangenehm findest, höre ich auf.”
Henri schüttelte den Kopf. Angesichts der ungewohnten Behandlung, die sie ihm angedeihen ließ, schwirrte sein Kopf, aber seinem Körper gefiel es nur zu gut, was sie da tat. Ihre Hand mit dem Tuch hatte nicht aufgehört, sich zu bewegen, während sie miteinander sprachen, und unter ihren Finger erwachten alle Nerven in seiner Haut zum Leben. Er konnte sich fast vorstellen, dass sie ihn aus reiner
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