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Die Herzogin, ihre Zofe, der Stallbursche und ihr Liebhaber

Die Herzogin, ihre Zofe, der Stallbursche und ihr Liebhaber

Titel: Die Herzogin, ihre Zofe, der Stallbursche und ihr Liebhaber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Victoria Janssen
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ranghöhere.
    Nachdem Camille ihr Bad genommen und gefrühstückt hatte, trat eine große, wohlgeformte Frau mit einem rasierten Schädel ins Zimmer. Ihre Kopfhaut und ihre nackten Füße waren vollkommen mit farbigen Tätowierungen bedeckt, ihre hellen Augen mit dunklem Kajal umrahmt. Im Gürtel trug sie einen großen Dolch mit einer Scheide aus geschnitztem Holz, deren Verzierungen so winzig und verschlungen waren, dass Camille nicht erkennen konnte, was sie darstellen sollten.
    Kommandant Leung verbeugte sich wie ein Mann aus der Hüfte vor Camille und sagte: “Madame la Duchesse? Seid Ihr bereit für Euer Gespräch mit Madame Gisèle?”
    Leung hatte das kühle, sichere Auftreten sowohl eines Soldaten als auch eines Befehlshabers, und Camille beneidete sie darum. “Ich bin bereit, danke”, erwiderte sie.
    An Kommandant Leungs Seite ging sie durch mehrere Flure, deren Wände mit grünen und weißen Streifen bemalt waren, durchquerte einen kleinen, mit Sand ausgestreuten Hof, in dem männliche und weibliche Wachen sich im Ringen übten, und erreichte schließlich über eine kurze Treppe ein Turmzimmer. Dort standen zahlreiche gepolsterte Diwane in den verschiedensten zwischen Creme und Butter changierenden Gelbtönen, außerdem Teetische aus Korb und Topfpflanzen, von denen einige so groß wie kleine Bäume und andere als Schlingpflanzen über die Wände drapiert waren oder von der Decke hingen.
    Während sie unterwegs waren, unterhielt Leung sie mit einer Geschichte über aus fernen Landen herbeigebrachtem Prunk, dessen Besteuerung und den als Racheakt verübten seeräuberischen Taten. All das war offenbar vor zwei Jahrhunderten geschehen. Bei anderer Gelegenheit, wenn sie nicht mit ihren Gedanken woanders gewesen wäre, wäre Camille ganz in der Geschichte versunken, in der unter anderem eine runzelige alte Frau vorkam, die, einen kleinen Hund mit flacher Schnauze auf dem Schoß, Hunderte von Schiffen befehligte. Sie beschloss, noch einmal nachzufragen, wenn sie Leung das nächste Mal begegnete. Camille hatte erfahren, dass Kommandant Leung Herrin ihres eigenen Schiffs und Maximes rechte Hand war; also würden sie sich auch wiedersehen, und zwar sehr oft. Dann würde sie auch herausfinden, wie Leung eine solche Position erreicht hatte und wie sie sich in einem Beruf behauptete, in dem normalerweise Männer das Sagen hatten.
    Madame Gisèle war noch nicht da. Anmutiger als jeder Höfling machte Kommandant Leung eine Handbewegung in Richtung der Diwane. “Setzt Euch bitte, Madame la Duchesse. Ich bin sicher, ich finde Madame Gisèle oben in ihrem Gewächshaus.”
    Camille wählte einen Diwan, von dem aus sie sowohl die Tür, durch die sie eben gekommen waren, als auch einen offenen Alkoven sehen konnte. Leung teilte einen Perlenvorhang und verschwand eine Treppe hinauf, während Camille überlegte, wie sie Kommandant Leung für ihre eigene Armee abwerben könnte. Wahrscheinlich hatte das keinerlei Aussicht auf Erfolg. Ihr Herzogtum besaß keine Küste.
    Als Höflichkeitsbezeugung der älteren Frau gegenüber erhob sich Camille, als Madame Gisèle, dicht gefolgt von Leung, das Zimmer betrat. Gisèle reichte Camille nur bis zur Schulter, und sie besaß die gemütliche Rundlichkeit eines Bären im Herbst. Ihre Augen und ihr Mund lächelten. Ihr graues Haar war jedoch zu einem kurzen, militärisch wirkenden Zopf geflochten, und der Griff des Dolches, den sie trug, war vom Gebrauch vieler Jahre zerkratzt. Die mollige Hand, die sie Camille reichte, war über und über mit kleinen Narben bedeckt, und eine gezackte weiße Linie verschwand in ihrem Ärmel. “Madame la Duchesse”, begrüßte sie Camille.
    Camille senkte den Kopf. Es war am besten, mit den eigenen Verbündeten offen und ehrlich umzugehen. “Ich bedauere die Verluste sehr, die Ihr durch die Hand meines Vaters erlitten habt, Madame.”
    Gisèle schüttelte energisch den Kopf. “Ihr wart damals noch ein Kind. Meine Schwester und mein Schwager … Nein, wir werden ein anderes Mal darüber reden. Jetzt ist nur wichtig, wie Ihr Euer Herzogtum zurückerobert und wie Ihr dann dort an der Macht bleiben könnt.” Sie lächelte. “Und natürlich, wann Ihr meinem Neffen offiziell die herzogliche Autorität verleiht, die er bereits ausübt.”
    “Madame Camille”, mischte sich Kommandant Leung ein. “Ich bin keine Bürgerin des Protektorats, aber Graf Maxime genießt meine vollkommene Loyalität. Seid Ihr damit einverstanden, dass auch ich an dieser

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