Die Herzogin, ihre Zofe, der Stallbursche und ihr Liebhaber
anzuziehen, und stopfte sie mühsam unter den Saum seiner Hose, bevor er sich hinsetzte, um in seine Stiefel zu schlüpfen.
Hinter sich hörte er das Plätschern von Wasser. Camille war aus dem Becken gestiegen. Beim Zuschnüren ihres Kleides würde sie Hilfe brauchen. Er war jedoch nicht ihre Zofe. Er war überhaupt nichts für sie. Nachdem er sein Hemd ausgeschüttelt hatte, zog er es sich über den Kopf. Der Ärmel war immer noch verdreht. Er musste es wieder ausziehen, um alles auf die richtige Seite zu wenden.
“Bist du fertig?”, erkundigte sich Camille.
Bevor er sie ansah, zog er das Hemd wieder an. Sie trug ein langes, locker fallendes Gewand mit offenem Kragen. Der Stoff war grün, rostrot und schwarz gestreift. Sie musste dieses Kleidungsstück aus dem Regal mit den Handtüchern genommen haben, sie sah darin nicht wie sie selber aus.
Henri fühlte sich nicht wie er selber. “Ja”, antwortete er. “Wir können gehen.”
Schweigend gingen sie nebeneinander her. Henri folgte dem Weg, den Leung ihn entlanggeführt hatte, bis sie auf einen der mit blauen Hemden bekleideten Diener stießen. Er zeigte ihnen, in welcher Richtung die Ställe lagen, die dicht bei den äußeren Wällen der Burg in den Felsen geschlagen waren. Eigentlich hätte er schon längst einmal dort gewesen sein sollen, doch er hatte Maximes Dienern erlaubt, sich um Camilles Pferde zu kümmern. Er hatte die Verantwortung abgegeben. Nun hatte er seine Meinung geändert. Wenn er Camille nicht haben konnte, wollte er wenigstens das behalten, was er schon früher von ihr gehabt hatte.
Die Ställe hatten mit Schnitzereien verzierte Holztüren, auf denen ganze Armeen mit Kupfer überzogene Seepferdchen prangten. Henri nahm eine brennende Laterne, die draußen vor dem Stall hing, öffnete die Tür und hielt sie für Camille auf. Zwei Stallburschen schliefen auf Feldbetten in der Nähe des Eingangs. Der Dunkelhäutige richtete sich verschlafen blinzelnd auf, und Henri sah, dass die Burschen eigentlich junge Frauen waren, deren lange Haare zu vielen mit Perlen verzierten Zöpfen geflochten waren. Sie öffnete den Mund, vielleicht um gegen die Störung zu protestieren, doch Guirlande wieherte freudig. Die junge Frau lächelte, machte ihnen ein Zeichen, sich ruhig den Pferden zu nähern, und streckte sich wieder auf ihrem schmalen Bett aus. Das andere Mädchen hatte nicht eine Sekunde aufgehört zu schnarchen.
Als Erstes ging Henri zu Pivoine, der länger und schneller geritten worden war, als die übrigen Pferde. Der Wallach schlief. Vorsichtig betastete Henri die Beine des Pferds, um festzustellen, ob sie ungewöhnlich heiß waren. Es war alles in Ordnung, Pivoine hatte sich von der Reise erholt. An einem leeren Eimer vor der Box erkannte Henri, dass die Stallmädchen dem Wallach eingeweichte Kleie gegeben hatten. Er erkannte neben dem Geruch der Kleie auch den von Melasse. Tigres Fell glänzte, und seine schüttere Mähne war mit bunten Bändern verflochten. Von der sorgfältigen Pflege schimmerten Lilas und Tonnelle von ihren Nasen bis hinunter zu den geölten Hufen. Tulipe stieß Henri mit der Nase gegen die Brust, schnaubte ihm ins Ohr und prustete ihm in die Haare. Henri sammelte einen Strohhalm von der Nase des Pferdes.
Aus einer anderen Box hörte er Guirlande erneut sanft in jenem Ton wiehern, den sie für eine bestimmte Person reserviert hatte. Henri schaute zu ihr hinüber. Camille hatte den Arm um den Hals der Stute gelegt. Ihre Stirn lehnte an der des Pferdes. Ihre Augen waren geschlossen. Die sonst so angespannte Linie ihres Kiefers wirkte weich und nachgiebig. Dann hob sie die Hand, um Guirlande unter dem Halfter zu kraulen, und die Bewegung ihrer Finger war langsam, träumerisch.
Henri hatte das Gefühl, keine Luft zu bekommen. Er klopfte Tulipe auf den Hals und trat aus der Box. “Camille”, sagte er. Sie reagierte nicht. “Camille”, wiederholte er ein wenig lauter. Sie öffnete die Augen und wandte den Kopf, sodass nun ihre Wange an Guirlandes Nase ruhte.
“Genau das hier ist es, was ich meinte”, erklärte er ihr. “Genau das, was du gerade tust.”
Ihre Lider schlossen sich wieder. “Ich kann nicht”, flüsterte sie.
“Doch, du kannst.” Henri ging zu ihr und nahm sie in seine Arme.
22. KAPITEL
H enri roch nach Pferd. Camille schmiegte ihre Nase in seine Halsbeuge und atmete tief ein. Ihr Kinn grub sich in den Muskel an der Stelle, wo sein Hals in die Schulter überging. Sie spürte, wie sein Kinn über
Weitere Kostenlose Bücher