Die Herzogin, ihre Zofe, der Stallbursche und ihr Liebhaber
ihre Haare strich. Ihre Kopfhaut kribbelte, als sich ihr Haar in seinen Bartstoppeln verfing. Während seine Hände auf ihrem Rücken auf und ab glitten, murmelte er etwas vor sich hin. Sie verstand kein einziges Wort.
Eigentlich hätte sie ihm diese Freiheiten nicht erlauben sollen, aber sie war müde, und es fühlte sich so unglaublich gut an, umarmt zu werden. Henri hatte recht. Das war es, was ihr fehlte. Sie war dicht davor gewesen, Maxime zu gestehen, dass sie jemanden an ihrer Seite brauchte, aber letztendlich war es Henri, den sie wollte. Und er wollte sie. Er hatte sie nicht angelogen. Dazu war er wohl auch gar nicht fähig. Schließlich vertrauten die Pferde ihm. Es wäre dumm von ihr, sich nicht auf den Instinkt der Pferde zu verlassen, der einzigen Wesen, die sie nie im Stich gelassen hatten.
Sie musste seine Zärtlichkeiten erwidern. Es fiel ihr schwer, ihre Arme zu heben und ihn zu umschlingen. Auch die kleinste Bewegung tat ihr bis in die Seele weh; er würde spüren, dass sie nichts mehr wollte, als ihn zu berühren und zu halten. Aber sie hatte in ihrem Leben schon schwierigere Dinge getan, als jemanden wissen zu lassen, dass sie ihn wollte. Sie hatte dem Herzog erlaubt, sie zu berühren, nachdem er sie zum ersten Mal betrogen hatte; sie hatte sich selbst auf Kommando zur Schau gestellt; sie hatte den Herzog ebenfalls betrogen. Sie hatte einen Fremden aufgefordert, sie zu schwängern. Das hier hätte ganz leicht für sie sein müssen. Andere Menschen taten es jeden Tag.
Sie umklammerte Henris Taille und presste ihre Hüfte an seine. Guirlandes Nase stupste sie gegen den Rücken, und sie erinnerte sich, dass sie mitten in Maximes Stall standen. Strohhalme kitzelten sie an ihren nackten Knöcheln über den leichten Schuhen, die sie trug. Zwei Frauen, die sie nie zuvor gesehen hatte, schliefen nur wenig Schritte entfernt.
Guirlande schnaubte. Bevor sie sie wieder anstupsen konnte, trat Henri einen Schritt zurück und zog Camille sachte an der Hand mit sich. “Pass auf, wo du hintrittst”, raunte er.
“Wo gehen wir hin?”
“Ich weiß es nicht.”
Das stimmte in mehr als einer Hinsicht. Sie sollte auf ihren einmal eingeschlagenen Weg zurückkehren. Womöglich suchte schon jemand nach ihr. Sie musste Pläne schmieden und verschiedene Dinge mit Maxime, Kaspar und Gisèle besprechen. Die Gedanken an all das fühlten sich an wie Mühlsteine um ihren Hals. Doch nun, hier, im schummerigen Stall, wo ein Junge, dessen einziges Ziel ihr Vergnügen und ihre Freude war, sie zu einer verbotenen Tat drängte … hier fühlte sie sich leicht und fast wie neugeboren.
Die abgedunkelte Laterne, die Henri außen an Tulipes Box gehängt hatte, warf ihr Licht nicht bis in den Teil der Stallgasse, wo Henri sie hinzog. Sie ließ zu, dass er sie in die Dunkelheit führte, die sich durch den warmen, reichen Geruch der Pferdekörper und des Pferdemists vertraut und heimelig anfühlte. In den dunklen Boxen verlagerten die Pferde ab und zu ihr Gewicht, und unter ihren Hufen knisterte das frische Stroh. Sie gingen an mehreren leeren geöffneten Boxen vorbei und erreichten zwei Türen. Camille strich mit der Hand über die erste. Auf dem Holz war eine Schnitzerei, die Sattel und Zaumzeug darstellte. Die zweite Tür war mit einem geschnitzten Eimer gekennzeichnet; wahrscheinlich handelte es sich um einen Raum, wo Breie für Umschläge und fürs Futter gemixt wurden. Sie nahm einen schwachen Geruch nach Melasse und gekochtem Hafer wahr.
Henri wählte die Sattelkammer. Wie passend: Es war eine Sattelkammer gewesen, in der er sich ihr in einer Scheune in der Nähe des Herzogspalasts verpflichtet hatte. Damals hatte sie nur sichergehen wollen, dass er sie auf ihrer Reise begleiten würde, anstatt zurückzubleiben und von den Wachen des Herzogs verhört zu werden.
Nein. Ganz so war es nicht gewesen. Sie hatte gewollt, dass er ihr gegenüber aus freiem Willen seinen Eid ablegte. Das hatte vor ihm niemand getan. Selbst Sylvie war nur in ihre Dienste getreten, weil es keinen anderen Ort gab, wo sie hätte hingehen können. Sie hatte gewollt, dass Henri sich ihr verpflichtete. Denn dann gehörte er ihr, mitsamt seinem Draufgängertum, seinen zärtlichen Blicken und seiner jugendlichen Zuversicht – als würde auch sie diese Eigenschaften besitzen, wenn sie ihn besaß. Zur damaligen Zeit hatte sie nicht einmal darüber nachgedacht, sich ihm ebenfalls mit Haut und Haaren zu überantworten.
Wenn sie sich nicht selbst so oft und
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