Die Herzogin, ihre Zofe, der Stallbursche und ihr Liebhaber
Koffer. Ich habe meine Wahl getroffen.”
“Madame?” Sylvie ließ Henri stehen und wankte auf den ihr am nächsten stehenden Koffer zu.
Camille deutete auf einen weiten mitternachtsblauen Mantel aus weichem, seidigem Samt, abgesetzt mit goldfarbenen Bändern und Litzen. Das Kleidungsstück war dazu gedacht, zu einem Reitrock getragen zu werden. “Das da”, sagte sie. “Kein Hut. Darunter ein weißes Hemd, vielleicht das mit Spitze an den Ärmelaufschlägen. Meinst du, du kannst die Reithose aus Leder finden, die ich auf der Reise getragen habe?”
Voller Tatendrang hatte Camille sich auf den Weg zum Palast machen wollen, sobald sie entschieden hatte, wie sie sich präsentieren wollte, aber die Vorbereitungen dauerten länger, als sie angenommen hatte. Arno übernahm es, die Kleider auszubürsten und das Hemd zu glätten, während Sylvie Camilles Haar sorgfältig wusch und frisierte, bevor sie mit Hilfe von Schminke raffiniert Camilles Augen betonte. Kaspar kontrollierte, zum wahrscheinlich zehnten Mal, seit sie in See gestochen waren, die Waffen, reinigte alle Pistolen, probierte das Schießpulver aus, schliff die Klingen und polierte die Beschläge, auf denen Camilles herzogliches Wappen zu sehen war.
Sie hatten Tigre als Geschenk an die Stallmädchen bei Maxime zurückgelassen, aber die Pferde, auf denen sie zum Palast reiten wollten, mussten eins nach dem anderen mit einer Schaluppe an Land gebracht werden. Natürlich übernahm Henri diese Aufgabe. Damit sie nicht zu unruhig wurden, verband er den Tieren die Augen und stand neben ihren Köpfen, während Kommandant Leungs Ruderer das Boot über die Wellen zum Strand manövrierten.
Durch die Aufregung und die vielen Diskussionen während der letzten Tage hatte Camille vergessen, wie sehr es sie immer quälte, warten zu müssen. Von der Reling aus sah sie zu, wie Henri am Strand auf und ab lief, eine Hand an Tonnelles Halfter, während Tulipe wie ein Hund neben ihm her trabte. Sie ging zu dem Gepäckberg, der an Deck aufgehäuft war, wühlte in einer Satteltasche und zog ihr Skizzenbuch hervor, dessen Ränder völlig zerknickt waren. Aufgeschlagen stützte sie es auf die Reling und begann, die laufenden Pferde zu zeichnen. Diese Tätigkeit beruhigte sie, bis es Zeit für sie war, ebenfalls das Schiff zu verlassen. Und auf der dann folgenden Reise zum Herzogspalast verbot sie sich, an etwas anderes als ans Reiten zu denken.
An der Stadtgrenze befahl sie der Gruppe zu halten und stieg vom Pferd. Sylvie glitt ebenfalls aus dem Sattel und eilte zu ihr, um ihre Kleidung in Ordnung zu bringen und ihre Schminke aufzufrischen. Camille hätte sich lieber persönlich mit dem Herrichten der Pferde beschäftigt, doch Henri leitete bereits Kaspar und Arno darin an, die Tiere abzusatteln, um ihnen in aller Eile etwas Pflege angedeihen zu lassen und sie mit weichen Tüchern abzureiben. Nachdem Sylvie sie hergerichtet und sie alle gemeinsam rasch etwas gegessen hatten, zog Camilles Magen sich vor lauter Anspannung zusammen. Nun würde es nicht mehr lange dauern, bis sie sich in aller Öffentlichkeit präsentieren musste. Sie konnte sich nicht erinnern, wann sie das jemals nervös gemacht hätte. Noch bevor sie laufen gelernt hatte, war sie bei offiziellen Gelegenheiten bei Hofe dabei gewesen. Doch das hier war natürlich etwas völlig anderes. Dieses Mal zeigte sie sich vor den Menschen, von denen sie hoffte, dass sie ihr die Regierung überlassen würden. Bevor sie wieder auf Guirlande stieg, band sie sich ein Messer an den Schenkel.
Seltsamerweise ließ ihre Aufregung nach, als sie die Außenbezirke der Stadt durchritten und die Häuser dichter beieinanderstanden. Jahrelang hatte sie keine Gelegenheit gehabt, sich zu Pferd so weit vom Palast zu entfernen; seit Michel ihre Freiheit drastisch eingeschränkt hatte, hatte sie kaum noch den Regierungssitz verlassen, und wenn, in einer geschlossenen Kutsche. Wie sie jetzt so in der frischen Luft dahinritt, atmete sie tief die sich vermischenden Gerüche von Pferdeleibern, frisch gebackenem Brot, gebratenem Fleisch und Blumen ein, die für sie gleichbedeutend mit Heimat waren. Bei ihrer Abreise aus dem Herzogtum war es kalt gewesen und hatte heftig geregnet. Nun bei ihrer Rückkehr, war es Sommer, und alle Häuser waren mit einer verschwenderischen Fülle von rot, orange und gelb blühenden Kletterpflanzen geschmückt. Sie warf Henri, der neben ihr ritt, einen Blick zu und lächelte ihn an. Er erwiderte ihr Lächeln und
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