Die Herzogin, ihre Zofe, der Stallbursche und ihr Liebhaber
es sich bei der vermeintlichen Herzogin nur um Madame Hubert, die Besitzerin.
Wenn er all sein Erspartes opferte und ihren Preis zahlte, konnte er sie haben. Jedenfalls fast. In einem oder zwei Jahren hätte er genug gespart. Einen Augenblick lang zog er es ernsthaft in Erwägung – doch es wäre nur ein Verkleidungsspiel. Er schämte sich für den bloßen Gedanken.
Henri eilte den Korridor entlang, verließ das Gebäude und trat in den stillen Hinterhof, der fast vollständig von dem Badehaus eingenommen wurde. Die schmale Gasse zwischen seinen hölzernen Wänden und dem hohen Zaun war mit Kletterrosen bepflanzt. Ihr Duft umschmeichelte seine Nase und vertrieb den strengen Geruch von Parfüm, Wein und Schweiß. Durch den Rosenduft wurde auch der Holzrauch versüßt, der von den Öfen aufstieg. Er folgte einem weißen Kiesweg zum Eingang und öffnete die Tür.
Das Badehaus lag ungewöhnlich still da, er konnte das Wasser plätschern und tröpfeln hören. Die frühabendlichen Gäste waren bereits gegangen, und die Besucher des Bordells waren noch nicht aufgetaucht, um sich einer Waschung zu unterziehen, ehe sie nach Hause zurückkehrten.
Henri betrat die raue Strohmatte, mit der der schmale Flur ausgelegt war. Der Korridor erstreckte sich über die gesamte Länge des Gebäudes. Zur Rechten gab es eine Nische mit Wandhaken und Bänken, wo er seine Kleidung aufhängte und seine Stiefel zurückließ. Das Kind, das normalerweise die Habseligkeiten der Gäste bewachte, schlief auf einem Stapel Handtücher in der Ecke. Henri ließ den Jungen schlafen; er hatte ohnehin nichts, das zu stehlen sich lohnte, wenn man von seinen Stiefeln absah, die mit Pferdemist verklebt waren. Er nahm ein Handtuch vom Regal und betrat den nächsten Raum. Der Boden in diesem Raum war aus Kalkstein, der gerade so sehr angeraut war, dass man nicht ausrutschen konnte. Der Waschraum verfügte über Hocker und Steinschalen mit matschiger, rauer Seife der billigsten Sorte. Weiche und parfümierte Seifen musste man extra erwerben, also benutzte Henri stets das, was kostenlos angeboten wurde. Es genügte für seine Zwecke.
Er hängte sein Handtuch auf und schrubbte sich ab. Seine Schulter und einer seiner Ellbogen waren aufgeschürft, wo einer der Oberstallburschen ihn am Nachmittag gegen eine Wand geschubst hatte, weil er zu spät gekommen war. Er wusch die Wunden sorgfältig aus, aber sie bluteten schon seit Stunden nicht mehr, und die Schwellung ging bereits zurück. In der Zwischenzeit hatte er sie kaum bemerkt, und wenn die anderen den Grund für sein Zuspätkommen gekannt hätten, wäre es ihm schlimmer ergangen. Ein paar Beulen und Abschürfungen waren ein geringer Preis, den zu zahlen er gerne bereit war.
Aus mehreren Rohren floss warmes Wasser in Krüge; wenn sie voll waren, lief das Wasser über und verschwand gurgelnd in einem Abfluss in der Mitte des Raums. Wenn Andrang herrschte, wurde diese Verschwendung durch die Zeit ausgeglichen, die man sparte, weil in mehreren Gefäßen heißes Wasser bereitstand. Ohnehin war kein Wassermangel zu befürchten, da das Bordell eine natürliche Quelle nutzte. Auch diese Tatsache trug zu Madame Huberts Reichtum bei. Der Herzog verfügte ebenfalls über eine Quelle, irgendwo in den Kellern des Palasts. Einen Ort zu belagern, der über seine eigene Wasserversorgung verfügte, wäre der blanke Irrsinn; das war einer der Gründe für die Macht des Herzogs. Zumindest wurde das allgemein behauptet. Henri dachte, es wäre eine Kleinigkeit, den Palast von innen heraus zu erobern. Aber die Menschen dort schwelgten im Luxus und waren vermutlich durchaus zufrieden mit ihrem Los. Sie würden nicht auf ihre Annehmlichkeiten verzichten wollen. Nun, die Diener des Herzogs waren unter Umständen nicht so zufrieden wie die Höflinge, aber wenn er einer dieser Diener wäre, würde er zuerst den Herzog beiseiteschaffen. Erst hinterher würde er den Palast übernehmen, wie jeder kluge Mensch das tun würde. Ein verräterischer Gedanke drängte sich ihm auf: Auch die Herzogin würde er für sich wollen.
Weil er sich gerade Wasser über den Kopf goss, hörte er nicht, dass die Bademagd eintrat. Er schüttelte sich das nasse Haar aus den Augen und blickte überrascht auf die Gestalt, die reglos neben der Tür stand. Sie war etwa in seinem Alter oder ein wenig älter. Das tiefschwarze Haar war kurz geschnitten, sodass er ihre schöne Kopfform erkennen konnte. Durch die kurzen Haare wirkten ihre dunklen Augen noch
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