Die Herzogin, ihre Zofe, der Stallbursche und ihr Liebhaber
Tagen wieder mit anderen Reisenden zusammentreffen würden. Allerdings, überlegte Henri, erschien sie fast immer ungerührt.
Das Dorf, das sie am Abend erreichten, bestand aus der Hütte und der Werkstatt eines Hufschmieds, fünf schäbigen Häusern und einem Wirtshaus, in dem es drei Gästezimmer gab. Eines davon war bereits an einen Hausierer vermietet, der es gemeinsam mit seinem Lehrjungen, seinem kräftigen Hund und einem zahmen Äffchen bewohnte. Eine Familie, wie sie es vorgaben zu sein, würde nicht für zwei Zimmer zahlen, wenn eines ausreichte. Dort würde Kaspar nicht genug Platz haben, um Henri im Messerkampf zu trainieren. Auf der Straße hatte Henri sich an die Übungen gewöhnt, sodass sie ihm fehlen würden. Er richtete sich darauf ein, die Nacht auf dem Fußboden zu verbringen, von wo aus er Sylvies Schnarchen und dem unablässigen
Witsch
lauschen würde, mit dem Kaspar seine Klinge schärfte, während er die Tür bewachte. Wenn Sylvie in den frühen Morgenstunden die Wache übernahm, trat sie im Vorbeigehen stets nach Henri, einfach aus Prinzip.
Während Henri und Sylvie ihre Satteltaschen nach oben schleppten, kam ein dritter Reisender im Gasthaus an, ein etwa fünfzigjähriger Mann mit glänzenden Stiefeln und einem modischen Haarschnitt. Die Herzogin redete leise mit Kaspar und betrachtete den neu angekommenen Gast aus den Augenwinkeln. Henri sah niemanden ein Zeichen des Erkennens machen, aber er bemerkte, dass sein Nacken prickelte, als der Fremde aufmerksam das lange dunkle Haar der Herzogin betrachtete, das sie mit einem kurzen Halstuch zurückgebunden hatte.
Sylvie schwang eine Satteltasche gegen seinen Hintern. “Beeil dich”, knurrte sie in ihrer fast perfekten Imitation der Töne, die ein Junge im Stimmbruch von sich gab. Je eher sie in ihrem Zimmer verschwanden, umso eher konnte Kaspar sich auch wieder nach draußen schleichen, um auf der Straße Wache zu halten.
Doch bevor er hinausging, sorgte er dafür, dass aus der Küche des Gasthauses Essen in ihr Zimmer gebracht wurde.
Während sie ihm nachsah, stellte die Herzogin fest: “Er ist ein besserer Mann als mein … früherer … Ehemann und eine bessere Mutter, als ich es jemals sein würde.”
Henri kreuzte die Finger und schwang sie über seine Schulter, um Unglück zu verhüten. Sie konnte bereits mit seinem Kind schwanger sein. Die Herzogin bemerkte seine Geste und zog eine Augenbraue hoch, während sie ihn strafend ansah. Henri schob sein Kinn nach vorn. Wenn sie sein Kind zu Welt brachte, würde sie die Bürde der Verantwortung nicht allein tragen müssen.
Sylvie unterbrach sie, indem sie mit einem Stapel sauberer Bettwäsche unter dem Arm ins Zimmer kam. Sie und Henri machten gemeinsam das Bett, dann half sie der Herzogin aus den Reitstiefeln und bürstete ihr Haar. Derweil saß Henri auf dem Boden, sah ihnen zu und drehte dabei unablässig einen Hufauskratzer in seinen Händen. Müde und hungrig, wie sie waren, sprach keiner von ihnen, bis die Herzogin Sylvie die Bürste aus der Hand nahm.
“Geh und hilf Kaspar”, befahl sie.
Henri stand auf, doch sie schüttelte den Kopf. “Nein. Sylvie soll gehen.”
“Sie werden niemanden haben, der Wache hält”, protestierte Sylvie.
Die Herzogin straffte ihren Rücken. “Wenn irgendetwas Unvorhergesehenes passiert, sag uns Bescheid. Jetzt geh.”
Sylvie zog ein missmutiges Gesicht, während sie sich sehr viel Zeit dabei ließ, die Kleidungsstücke zusammenzusuchen, die zu ihrer Verkleidung gehörten. Dann belegte sie in aller Gemütsruhe ein Stück Brot mit Käse und Fleisch. Als die Herzogin schließlich mit dem Kinn zur Tür deutete, ging Sylvie endlich und warf mit lautem Knall die Tür hinter sich ins Schloss. Das Klappern ihrer Stiefelabsätze hallte durchs Haus.
Am liebsten hätte Henri die Herzogin sanft ermahnt und sie daran erinnert, dass Kaspar und Sylvie es als ihre Aufgabe ansahen, sie zu beschützen – und dass sie die beiden das auch weiterhin tun lassen sollte, weil sie sich als so fähig und treu erwiesen hatten. Er hätte sie daran erinnern sollen, aber Sylvie war fort, und sie beide waren nun allein im Zimmer. Also rutschte er über den Fußboden, auf dem er sich wieder niedergelassen hatte, und lehnte sich ohne ein Wort gegen ihr Bein.
Sie schob die Finger in sein Haar und rieb ihm über die Kopfhaut. Henri ließ den Kopf nach vorne fallen. Er schloss die Augen. Es wäre leicht gewesen, dort zu ihren Füßen einzuschlafen. Dann hörte sie jedoch
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