Die Hexe aus Burgund: Historischer Roman (German Edition)
Jahren Regentenausbildung gab er in der letzten Etappe, der priesterlichen Schweigezeit, selber auf, diesen immer anspruchsvolleren Übungen hatte er sich bald nicht mehr gewachsen gefühlt. Anschließend plagte ihn zwar die Enttäuschung über sein Versagen, doch dann tröstete er sich mit der Erkenntnis, zum Kronprinz ohnehin nicht geeignet zu sein, er habe sich überschätzt. Und als ihn einige Wochen später der Graf des Maingaus, dessen Verwaltung sich im Frowanger Schloss befand, aufgrund seines Könnens zu seinem Assistenten erwählte, freute sich Hilibrand, dass seine vorzeitig beendete Ausbildung auf diese Weise nun doch ihre Früchte trug.
Ü ber alle dem hatten Wiltrud und Waldur ihr zweites Ausbildungsjahr erreicht, und das schloss für Waldur vorab jeden Kontakt mit Chrodegilde aus. Denn auf dem Lehrplan stand nun die Publikationsreise, eine halbjährige Fahrt durch Alemannien, die vorrangig dem Zweck diente, der Bevölkerung den angehenden Kronprinzenanwärter näher bekannt zu machen. Dazu wurde der Student von einer erfahrenen Begleitperson auf den Bezirksdingplätzen, die dann stets mit hunderten von Bürgern gefüllt waren, seinen Landsleuten vorgestellt. Für den Studenten selbst eine anspruchsvolle Bewährung, da er den Versammelten ihre verschiedensten Fragen beantworten musste, und zwar in möglichst souveräner Kronprinzenart.
Allerdings mussten Wiltrud und Waldur diese Reise getrennt unternehmen.
W aldurs Begleitperson war der Publikums erfahrene Ratsherr Laurovith. Der staunte bald über Waldurs beeindruckendes Auftreten auf den Rednerpodesten der Dingplätze. Anfangs hatte Waldur zwar gegen Auftrittshemmungen ankämpfen müssen, doch dann war er sicherer geworden, und inzwischen war Laurovith stolz auf ihn. Waldur machte auf die Zuhörer einen geistreichen Eindruck, erweckte mit seiner Schutz ausstrahlenden Magie ihr Vertrauen, und immer wieder brach für einen Moment seine Herzlichkeit durch. Er kam ausgezeichnet an beim Publikum, weshalb sich Laurovith fragte, ob er womöglich mal Kronprinzessin Silkes Nachfolger werde. Gewiss, schränkte er diese Hoffnung jedoch ein, der ebenso kluge wie gutaussehende Ritter Segimund sei nach Meinung der Frowanger Ratsleute der Favorit der Alemannen, gleich gefolgt von Walgund, der erfahrenen Gräfin des Lahngaus, doch Waldur weise schließlich auch seine Qualitäten auf.
Mit solchen Gedanken beschäftigte sich Laurovith, nicht ahnend, dass Waldur genau gegenteiliges Denken plagte. Denn Waldur war auf dieser Reise das Ziel seiner Ausbildung so deutlich geworden, dass es ihm nun Angst einjagte, womöglich mal zum Kronprinzen gewählt zu werden. Ich und Kronprinz, dachte er wieder und wieder und später eventuell noch Fürst - nein, nein!
Allerdings wurde ihm ein Teil dieser Angst wieder genommen, wenn auch erst am letzten Tag vor seiner Heimreise, den er in Limburg an der Lahn zubrachte. Die hiesige Gaugräfin Walgund gestand ihm bei ihrem Abschiedsgespräch, dass auch sie sich fürchte, eines Tages zur Kronprinzessin gewählt zu werden. „Das geht jedem Kronprinzenanwärter so, Ritter Waldur“, erklärte sie ihm, „selbst unsere Silke ist von dieser Furcht nicht verschont gewesen. Ich denke an die Wahl vor neun Jahren, als wir drei Kandidaten - Silke, der inzwischen verstorbene Ritter Friedekar und ich - damals sieben Wochen lang in Eurem Palast verharren und dem Wahlergebnis entgegenzittern mussten. Ich glaube sogar, Silke hatte dieses Warten die meisten Nerven gekostet. Und dann, ist sie dann nicht die beste und glücklichste Kronprinzessin geworden?“
„Keine Frage“, konnte er ihr nur beipflichten und fühlte sich nach diesem Gespräch etwas leichter.
E nde des Sommers kehrten Waldur und Wiltrud von ihren Reisen zurück. Die Leitung des Bauressorts musste Waldur nun abgeben, da er und Wiltrud fortan von Prinzessin Silke und Ritter Segimund, ihrem Assistenten, an die Außenpolitik herangeführt werden sollten.
Und keine drei Wochen nach Waldurs Rückkehr tauchte überraschend wieder Chrodegilde in Frowang auf. Mit einer vertraulichen Nachricht ihres Vaters an das Fürstenpaar, wie sie ihren Besuch wieder deklarierte. Das war allerdings der Tag, an dem sich Wiltrud und Segimund zur Freude aller Schlossbewohner verlobten. Deshalb stand Chrodegildes Besuch im Schatten dieses Ereignisses, und auch Waldur widmete ihr nur die nötigste Zeit.
Fast so zurückhaltend wie in jenen Tagen verhielt sich Waldur auch bei ihren nächsten Besuchen. Er
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