Die Hexe muss brennen. Historischer Roman. (German Edition)
Die Stadtwache war ratlos. Jetzt nicht mehr.«
Die Böttcherin machte eine Pause, bis Luzia mit weit offenem Blick fragte: »Nun?«
»Sie haben ihn.«
»Wen?«
»Den Meisterdieb. Na ja, noch nicht ganz, aber fast. Der Bennickes Ferdinand, der seit acht Jahren schon in der Stadtwache dient, der machte noch nach Mitternacht eine Runde. Er kontrollierte, ob der Kettenwirt auch die Sperrstunde einhielt. Als er sich von der Tür abwandte, fiel ihm ein Schatten auf dem Marktplatz auf. Pflichtschuldig, wie er ist, schlich er hinterher und stellte den Dieb!«
»So haben sie ihn?«
»Fast. Er ließ sich nicht so festnehmen, sondern kratzte und schlug um sich, dass der Ferdinand voll ist mit blauen Flecken. Wie eine Katze rutschte er ihm durch die Finger. Aber der Ferdinand konnte ihm einen Teil seiner Beute abnehmen, ein Medaillon, das die Müllerin von der Mutter des Müllers bekam. Sie bewahrte es neben ihrem Bett auf und schwört Stein und Bein, dass nur jemand mit des Satans Hilfe an ihrem Wachhund vorbeikommt. Der Ferdinand bekam vom Müller einen Gulden Belohnung. Jetzt sind zehn Gulden auf den Dieb ausgesetzt.«
»Zehn Gulden?« Luzia wurde es mulmig. Dafür töteten manche. Besser, sie wäre nicht noch einmal hierher zurückgekehrt.
»Ja, und glaub nicht, wo sie ihn suchen.«
Ein Stich zog durch Luzias Magen. »Wo suchen sie ihn denn?«
»Der Ferdinand sah, dass er vom Markt aus in diese Gasse lief. Die Stadtwache kam heute in jedes Haus und suchte in den Zimmern. Auch in deine Truhe sahen sie hinein.« Luzia spürte das Blut aus ihren Wangen weichen, aber die Böttcherin plapperte munter weiter. »Hübsches Leinen hast du, meinte der eine, und ich sagte ihm, er soll seine schmierigen Finger davon lassen. Mädchen, reg dich nicht auf. Ich habe schon darauf geachtet, dass nichts schmutzig wurde. Du bist ja ganz blass geworden.«
»Ja, Böttcherin. Du weißt, ich bin nicht reich. Das ist meine Aussteuer. Mein Verlobter hat sich so sehr gewünscht, dass ich zur Hochzeit so gekleidet bin wie eine feine Dame. Da sparte ich alles, um mir diese Wäsche zu leisten. Und wenn ich denke, einer von diesen Schmutzfinken …«
»Ach, Mädchen, mach dir keinen Kopf. Morgen spätestens haben sie ihn erwischt. Es wohnen doch nur Einheimische in der Gasse, alles anständige Bürger. Da ist ganz schnell heraus, wenn ein Fremder sich verbirgt.«
»Ja, Böttcherin, das ist schnell heraus.«
Wenn die Böttcherin sie als zur Familie gehörig betrachtete, dann bedeutete das noch lange nicht, dass die anderen aus der Gasse das genauso sahen. Und erst recht nicht die Stadtwache. Eines war klar: Jetzt kam sie nicht mehr so einfach aus der Stadt heraus. Man kannte sie, wusste, dass sie längere Zeit hier wohnte. Da würde sie niemand mit einem Bündel Gepäck fortlassen. Es wurde ihr eiskalt innerlich, doch sie zwang sich zu einem Lächeln. Nein, auf gar keinen Fall durfte sie sich hier noch ausruhen. Zu dumm, dass sie nicht all ihre Habseligkeiten fortgebracht hatte. Aber verzichten wollte sie auf gar keinen Fall darauf.
Luzia gähnte demonstrativ und ging hoch in ihr Zimmer. Zwei Eimer Wasser nahm sie mit und ihre Wirtin spottete darüber, ob sie jemandem gefallen wolle, worauf Luzia mit einem Scherz antwortete. Sie hatte etwas anderes vor - und zwar die Flucht. Mit sandiger Seife wusch sie sich gründlich das Gesicht, bis es rot glänzte. In die nasse Haut massierte sie eine mit Nilschlamm gefärbte Salbe ein. Sorgfältig malte sie mit einem Kohlestück Augenbrauen und Wimpern nach. Für die Lippen und Wangen hatte sie die Salbe mit mehr Farbe und etwas Rötel bereitet, dass sie dunkler als das Gesicht wurden. Der Handspiegel reflektierte ein Gesicht, das sie selbst nicht kannte. Noch wirkte es durch die blonde Haarfarbe unnatürlich. Die Haare band sie zu einem straffen Knoten zusammen, bevor sie die Perücke aufsetzte. Lange hatte sie sparen müssen, um sie sich zu leisten. Gelocktes, schwarzes Haar mit grauen Strähnen war auf ein buntes Kopftuch genäht und sah so aus, als ob es darunter hervor käme. Jetzt nickte sie dem Gesicht im Spiegel befriedigt zu. Die Nase schien schmaler, die Wangen knochig. Was so ein wenig Farbe ausmachte! Ihre Mutter hatte ihr beigebracht, Masken für die kleine Theatertruppe zu schminken. Sie hatte furchterregende Tote malen können. Bis Luzia es nachvollziehen konnte und es natürlich aussah, war allerdings einige Übungszeit vergangen.
Jetzt kam die Kleidung dran: ein weit fallender Rock und
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