Die Hexe muss brennen. Historischer Roman. (German Edition)
gab. Durch das Kinderspiel entdeckte er, wie man weit Entferntes mit Linsen heranholt. Seine Erfindung nannte er Teleskop, Fernrohr. Ich besitze nun ein solches und empfahl ihm, dasselbe zum Patent anzumelden. Dieses erwähnte ich in Briefen an den Herrn Kepler in Prag. Das mag seiner Sehschwäche helfen. Ah, Luzia, ich besitze ein schönes Astrolabium in meinem Arbeitszimmer, mit dem ich die Bewegung der Gestirne zeigen kann.«
»Und das Laboratorium? Was hat das mit den Sternen zu tun?«
»Alles in Gottes Universum hängt zusammen. Um das Große zu verstehen, muss man sich mit dem Kleinen befassen. Astrologie behandelt einen entscheidenden Aspekt der Alchemie. Darum forsche ich darin, den Einfluss der Gestirne auf die Reaktionen der Ingredienzien zu ergründen. Die Sterne zu beobachten, habe ich mir auf dem Dach ein Observatorium errichtet. Das ist einer der Gründe, warum ich die großen Städte fliehe, dort verderben mir die vielen Lichter den Blick in den Himmel.«
Sie hätte ihm noch Stunden so zuhören können und zusehen, wie seine schmalen Hände sich bewegten, seine Augen immer wieder auf ihr ruhten. Aber sie war hier nicht in Sicherheit. Jeden Moment konnte der Hexenjäger wieder auftauchen oder jemand, der die Einbrecherin suchte. »Äh, sitzt du immer so lange im Laboratorium, Herr?«
Er stellte seine Kaffeetasse auf den Tisch und stand auf. »Seit Magdalene nicht mehr mitarbeiten darf, oft. Aber du hast recht, ich muss mit Trine, dem Mädchen, reden, was hier vor sich geht. Welch Glück, dass sie noch hier ist. Sie soll morgen gleich früh nach Mainz abreisen und sich erkundigen, was dieser Inquisitor hier zu suchen hat. Um lange Erklärungen zu vermeiden, sage ich ihr, du hast den Tresor geöffnet und die Papiere versteckt. Vertraue ihr, sie ist auf unserer Seite. Ihre Mutter war eine der Frauen, die vor elf Jahren verbrannt wurden, eine entsetzliche Geschichte. Für die Inquisition hat sie keine Sympathie, glaub mir. Wenn sie uns helfen kann, wird sie das tun. Von der geheimen Kammer weiß auch sie nichts. Komm mit, ich werde dir alles zeigen.«
Die Bodenplatte, auf der sie sich vorhin zusammengekrümmt hatte, konnte man mit einem Haken herausnehmen. So kam man in die Grube, von der aus die unterirdischen Teile des Herdes erreicht wurden. Da gab es einen Aschenkorb und Luzia fand das eine sehr praktische Erfindung. Es war eng dort und der Hebel, die Tür zu entriegeln, sah aus wie ein Haltebolzen der Fußbodenplatten. Die Tür selbst war dick und hatte einen gepolsterten Wulst, der weder Luft noch Licht durchließ. Aber der Fluchtraum erschien ihr geradezu freundlich. Anscheinend hatte man den gesamten Innenhof unterkellert, um diese Räumlichkeiten zu schaffen. Es gab alles, was man zum Leben brauchte. Lukas zeigte ihr einen Notausstieg und ermahnte sie, keinesfalls den Schutzraum zu verlassen, auch wenn es unvorhergesehen Tage dauern sollte, bis er sie besuchte. Es brauchte nur einen Gedanken an Zentgraf Noß und die beiden Büttel, und Luzia versprach es ihm gern. Trotzdem kämpfte sie einen Moment mit Panik, als er die Tür hinter sich schloss und sie allein war.
Um sich abzulenken, legte sie sich auf das Bett und griff nach einem Buch im Regal: Einführung über den Gang der Fixsterne und Wandelgestirne, ihre Bewegungen umeinander, um die Sonne und die Erde. Freiwillig hätte sie niemals in ein solches Buch geschaut, schon die Textbücher für die Schauspiele der Theatertruppe hatten sie gelangweilt. Ihre Mutter hatte immer wieder darauf bestanden, dass Luzia Lesen lernte, doch Freude fand sie nicht daran. Weil dieses Buch nun einmal da stand und weil der Autor Lukas war, schaute sie hinein. Professor Lukas Freiherr von Wegener. Astronomie war sein Fachgebiet, er hatte Studenten, vielleicht hatte er ja dieses Buch für die geschrieben - oder für Magdalene. Schon möglich. Mit Ausnahme der Bühnenstücke waren die einzigen Bücher, die sie jemals gelesen hatte, die Bibel und das Gesangbuch. Dieses Werk fand sie ganz anders. Zuerst erschien es ihr furchtbar umständlich, aber dann begriff sie, worum es ging: Es gab verschiedene Arten von Sternen, als größter von allen imponierte die Sonne. Sie war nur so groß, weil sie so nah war. Es existierten sogar Formeln, ihre Entfernung zu berechnen. Dann gab es die Wandelsterne, die sich um die Sonne drehten, von denen war die Erde nur einer unter vielen. Nicht das ganze Universum drehte sich um die Erde, sondern nur der Mond. Auf einem Bild sah
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