Die Hexe muss brennen. Historischer Roman. (German Edition)
ihrem Gatten verbergen kann. Genau diese Hinterlist vermute er bei der Angeklagten, der er weiter nichts nachweisen konnte. Jetzt sollte ihr Ehemann als sein Zeuge auftreten und diese besonderen Praktiken als Beweis der Schuld liefern. Dafür solle die Witwe den Mann verführen und ihm so zeigen, wie ein Verkehr ohne Heimtücke geschehe, um ihm die Schuld seiner Gattin aufzuzeigen.«
»Er forderte also eine ehrbare Frau zur Unzucht und zum Ehebruch auf?«
»Genau das tat er. Alles, um ein gottgefälliges Werk zu verrichten. Er als Inquisitor sei befugt, ihr diese Sünde völlig zu vergeben. Und Angst bräuchte sie auch nicht haben, da er ständig dabei sei, lauschen und zusehen würde.«
»Ha!«, rief Lukas aus. »Dann war er es doch! Ich sah nur einen Schemen davoneilen. Er hätte es sein können, aber sicher war ich mir nicht.«
»Nun, er wird es schon gewesen sein. Herr Lukas, glaube mir, diese Bestie ist zu jeder Niedertracht fähig. Das größte Verbrechen begeht er ohne Reue, um seine Vermutungen Wahrheit werden zu lassen. Sein wahres Gesicht zeigt er nur denen, die bald tot sein werden, tot durch seine Hand.«
Nachdenklich nickte Lukas. »Wenn ich bisher auch nur die geringsten Zweifel hegte, die sind vorbei. Was er vollbringt, ist keinesfalls Gottes Werk. Statt Hexen zu suchen, produziert er welche. Anständige Frauen führt er zur Unzucht, treue Ehemänner werden durch seine Hand Verräter am eigenen Fleisch und Blut. Luzia, was auch immer du vor hast, meiner Unterstützung kannst du sicher sein.«
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Es war extrem eng. Einen Moment wurde Luzia an die Eiserne Jungfrau erinnert und unterdrückte die Panik. Tief atmete sie durch, wobei sie an die spitzen Innendornen dachte und daran, wie sie sich langsam in ihre Haut bohrten, ein Rinnsal von Blut hinterließen. Machtvoll verdrängte sie dieses Bild und beruhigte sich. Noch vor einem halben Jahr hatte sie gelacht, wenn man solche Ausdrücke benutzte: spann mich nicht auf die Folter, du willst mich wohl aufziehen, ich fühl mich wie gerädert - das waren alles geflügelte Worte. Bisher hatte sie nie daran gedacht, dass all das einmal wie das Schwert der Verdammnis über ihr hängen könnte. Man lachte nicht über so was. In der Welt, in die sie sich mit ihren Plänen begab, wurden Leute auf die Folter gespannt und gerädert. So verlangte es das Rechtssystem.
Es musste ja nicht gleich so schlimm kommen. Allerdings - Gefängnisstrafen gab es nur selten. Wenn Luzia recht überlegte, war einer schnellen Hinrichtung vor der Kerkerhaft vielleicht doch der Vorzug zu geben. Die Kerker schilderte ihr Vater kalt, feucht, lichtlos, die Verpflegung gesundheitsschädlich. Man lebte nicht lange im Gefängnis und der Tod war qualvoll. Meistens verordnete der Richter Geldstrafen oder Ehrenstrafen, bei denen der Delinquent der Lächerlichkeit preisgegeben wurde und den Respekt seiner Nachbarn und Freunde verlor. Wer an den Pranger gestellt wurde und einen faulen Apfel ins Gesicht bekam, den lachte man aus, wenn er sich das nächste Mal über zu lautes Kindergeschrei beschwerte. Das Gesicht eines Trickbetrügers am Schandpfahl merkte man sich in der Regel und fiel nicht auf ihn rein.
Im Wiederholungsfall wurden die Strafen schmerzhaft. Prügel und Auspeitschung waren an der Tagesordnung.
Unverbesserliche verstümmelte man: Betrüger wurden gebrandmarkt; Pfuschern schlitzte ihre Handwerksgilde das Ohr auf; man blendete Spione; ein Vergewaltiger wurde öffentlich kastriert. Das alles stand in der Reichsgerichtsordnung. Dieben schlug der Henker die Hand ab. Allein der Gedanke daran ließ Luzia den kalten Schweiß ausbrechen. Was auch immer sie in ihrem späteren Leben vorhatte, auf eine Hand konnte sie dabei nicht verzichten. Helfen würde ihr nur ein milder Richter, der ihren Tränen glaubte und gelten ließ, dass sie nur ein einziges Mal aus Not die Tat begangen hatte, für die man sie verurteilen wollte, der Gnade vor Recht ergehen ließ. Und dann bestand noch immer die Möglichkeit, sich mit ihrem Körper freizukaufen. Wenn sie nur glaubwürdig genug log, nahm sie vielleicht einer der Henkersknechte zur Frau. Sicher würde er schnell seinen Lohn einfordern wollen - immer noch besser, als verstümmelt zu werden. Und Weglaufen konnte sie schneller, als irgendjemand guckte.
Auf Kapitalverbrechen stand die Todesstrafe. Um die Opfer und ihre Hinterbliebenen zu befriedigen, spielte sich die Hinrichtung unterschiedlich grausam ab. Gnädig nannte man Enthauptung für die
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