Die Hexe muss brennen. Historischer Roman. (German Edition)
gab ein einfaches Schloss - kein Problem für Luzia, natürlich nicht. Das Läutewerk hatte sie erstaunlich einfach ausbauen können und es Trines Verwandter auf den Handkarren geladen, mit dem diese Tücher und Eimer fuhr. Gut versteckt unter Putzlumpen fiel es niemandem auf. Mittlerweile freute sich wohl schon ein Lumpenjude über das feine Messing der Zahnräder. Nun kam der schwierige Teil. Luzia passte knapp in den Kasten und präparierte das Gehäuse sorgfältig von innen, hielt immer angstvoll still, wenn jemand den Korridor entlang kam. Die Uhr funktionierte schon seit Jahren nicht mehr, diente nur als Ausstellungsstück mit diesem dicken Korpus aus geschnitztem Holz, der nicht einmal zitterte, wenn Luzia sich darinnen bewegte.
So langsam tat ihr vom verkrümmt Stehen jeder Muskel weh. Wie sie es ersehnte, die Schultern zu strecken! Ihre Knie mussten schon ganz rund sein, wie beim gichtigen Kräuterweib. Sie brauchte aber nur daran denken, was Zentgraf Noß mit ihr machte, wenn er sie in die Finger bekam, dann vergaß sie jeden Gedanken an Aufgeben. Durch ein Astloch in der Schnitzerei sah sie den Gang vor sich und jeden, der sich darauf bewegte. Mit Sicherheit war dieses Loch kein Zufall und der Uhrenkasten schon öfter für Ähnliches benutzt worden. Nur machte es wenig Sinn, auf einem Gang zu lauschen. Niemand führte ausgerechnet vor dieser Uhr ein wichtiges Gespräch. Dazu hätte man sich ein ruhigeres Plätzchen gesucht. Nun, vielleicht stand diese Uhr noch nicht immer auf diesem Fleck.
Gedränge hätte sie es nie genannt, aber es war hier schon einiges los. Der Korridor lief an einer Säulenreihe entlang und auf der anderen Seite befanden sich die Amtsräume. Am Ende des Ganges lag das Büro des Mainzer Erzbischofs Johann Schweikhard von Kronberg.
Wie er es geschafft hatte, blieb Luzia ein Rätsel, auf jeden Fall hatte Doktor Patrizius es fertiggebracht, sich eine Audienz zu besorgen. Lukas stand jetzt mit dem Advokaten gerade außer Sichtweite ihres Guckloches und wartete auf Zentgraf Noß, der dazukommen sollte. Luzia bekam lediglich einen Blick auf die samtbekleideten Schultern des Edelmannes. Um sich abzulenken, stellte sie sich vor, was wohl unter dem festen Stoff steckte. Seine Arme besaßen starke Muskeln, das hatte sie zu den wenigen Gelegenheiten bemerkt, wenn er ihr die Hand reichte. Ein sanfter Hauch seiner Seife zog zu ihr herein, Sandelholz. Dicht drückte sie ihre Nase an den Uhrenkasten, um mehr davon zu erhaschen. Ein köstlicher Duft. Sie schloss die Lider und sah seine entblößte Brust vor sich, wie sie sich darüber beugte und den Duft seiner Haut einatmete, wie ihre Fingerspitzen über die gewölbten Muskeln wanderten. Weich musste sie sein, die Haut eines Mannes, der täglich mit kostbarer Seife badete. Oh ja, er erregte sie mit seinem vornehmen Betragen, wie er so exakt ihren Namen aussprach, auf seine ganz besondere Art betonte, als ob er etwas besonders Kostbares benannte.
»Da ist er!«, riss sie die scharfe Stimme des Rechtsanwaltes aus ihrer Träumerei. Schritte kamen näher, laut hallend über den Marmor, feste Tritte mehrerer Männer. Einer von denen musste Zentgraf Noß sein. Lukas hielt den Zentgrafen genau in ihrem Sichtbereich auf. Perfekt! Hoffentlich hörte niemand ihr aufgeregt klopfendes Herz.
»Zentgraf Noß, bitte lasst mich einen Moment mit Euch über meine Schwester sprechen.«
Lukas‘ Stimme klang beherrscht und einen Moment verkrampfte Luzias Herz sich vor Sorge. Wenn Noß jetzt auch noch Lukas verfolgte?
Noß blieb stehen und seine beiden Wachen hielten sich dicht hinter ihm. »Da gibt es nicht viel zu sprechen. Eure Schwester ist eine Hexe und Ihr verheimlicht ihre Zuflucht. Leider hatte ich keine Gelegenheit, ihr Geständnis zu hören. Der weltliche Arm kann Euch nicht beweisen, dass Ihr sie versteckt. Weil es sich bei Amtsbehinderung und Verbergen eines Verdächtigen nicht um Ausnahmeverbrechen handelt, ist es mir nicht gestattet, gegen Euch zu ermitteln. Sonst hätte ich die Antwort von Euch, dessen könnt Ihr gewiss sein. Jetzt geht aus dem Weg.«
Luzias Finger begannen zu zittern, als diese Stimme an ihr Ohr drang. Oh nein, das konnte sie jetzt nicht gebrauchen, auf gar keinen Fall. Fest schlang sie die Finger beider Hände ineinander und hauchte darauf, um sie warm und geschmeidig zu machen.
»Nein, Zentgraf Noß, ich werde nicht aus dem Weg gehen, bis Ihr mir meine Frage beantwortet. Warum lasst Ihr meine Schwester nicht in
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