Die Hexe muss brennen. Historischer Roman. (German Edition)
Stallungen und auch sie bemühten sich nicht um Heimlichkeit. Trotzdem kam ihnen niemand entgegen. Befremdet öffnete Luzia die Tür zur Wohnung. Sie erstarrte vor Schreck, als dicht vor ihren Augen eine scharfe Schneide aufblitzte. Das Bündel fiel aus ihren Händen. Es landete mit einem dumpfen Plumps auf dem Boden. Doch gleich hörte sie die Klinge mit einem Klirren daneben auf den Dielen aufschlagen. Noch hatte sie sich nicht von ihrer Starre erholt, da stob Lukas auf sie zu und umarmte sie so heftig, dass sie beinahe das Gleichgewicht verlor. Sie roch Wein in seinem Atem.
So schnell, wie er auf sie zugesprungen war, trat Lukas auch zurück. Er schlug den Blick auf den Boden. »Verzeih mir, Luzia. Ich bin so froh, eine vertraute Seele zu Gesicht zu bekommen.«
Trine schüttelte fassungslos den Kopf und zwängte sich an Luzia vorbei durch die Tür. Sie ging den Gang entlang bis zur Küchentür und sah hindurch. »Wo sind die Mädchen alle?«, fragte sie erstaunt.
»Fort. Ich habe sie weggeschickt.« Lukas bückte sich, um sein Rapier aufzuheben, dann drehte er sich herum und ging mit müden Schritten in den Salon. Auf dem Tisch stand eine halbleere Flasche mit Wein, daneben ein Glas, das unbenutzt aussah. Er ließ sich auf einen Stuhl fallen, griff nach der Flasche, setzte sie an und nahm einen tiefen Zug.
»Bei der Liebe des Herrn, Lukas, was ist geschehen?«, rief Luzia und ließ sich neben ihm auf den Stuhl fallen. »Ist etwas mit Magdalene? Man wird doch nicht etwa …«
Er schüttelte den Kopf. »Nein, es geht ihr gut. Das nicht. Ich bin es selbst, der mir Verdruss bereitet.«
Trine kam mit hinein, blieb aber an der Tür stehen. Lukas machte einen so elenden Eindruck, dass Luzia ihm ihre Hand auf den Arm legte. Bestimmt hatte er die Nacht nicht geschlafen und sicherlich außer dem Wein nichts zu sich genommen. »Erzähl, Herr. Was ist geschehen?«
Seine Augen blickten wild, als er sie ansah. »Vertrauensselig bin ich. Ein Narr, der seine Mitmenschen nicht durchschaut. Wie ein Idiot gehe ich zur Nachbarin, weil ich fürchte, sie ginge dem Zentgraf in die Schlinge. Dabei steht sie schon längst unter seinem Befehl!« Er fixierte die Flasche, legte jedoch die Hand, die gerade danach greifen wollte, daneben auf den Tisch. »Meiner Menschenkenntnis bin ich nicht mehr sicher. Darum habe ich alle Mädchen fort geschickt, aus Angst, sie könnten mich auch verraten. Trine, sag, war die Nachbarin nicht immer eine treue Ehefrau, eine keusche Witwe? Ehrte sie nicht das Andenken ihres Gemahls?«
Trines Miene verriet, dass sie keineswegs der Meinung ihres Herrn war, aber er sah sie nicht an, um das zu erkennen. »Mit Sorge bemerke ich, wie sie besucht wird vom Zentgrafen und allzu vertraut mit ihm tut. Warnen will ich sie, dass er für seinen Vorteil und zum Nachteil seiner Angeklagten lügt und betrügt und vor keiner Schandtat zurückschreckt. Da verführt sie mich wie eine Straßenhure, während er im Nebenzimmer ihr zusieht, sie anleitet und ihr anbefiehlt, mein Geheimnis auszuforschen! Beinahe, beinahe hätte ich es ausgeplaudert. Gottes Wille hielt mich auf. Nur der Bruchteil eines Augenzwinkerns und Magdalene wäre verloren gewesen.«
Einen Moment war Luzia perplex, dann tätschelte sie tröstend seine Hand. »Du hast nichts gesagt, und damit ist alles gut. Mach dir keine Vorwürfe. Er hat dir eine Falle gestellt und du bist nicht hineingetappt. Das bedeutet doch einen Erfolg! Jetzt sind wir alle gewarnt, dass er vor nichts zurückschreckt.«
Hilflosigkeit lag in seinen Augen. »Aber die Nachbarin! Eine so junge, hübsche Witwe mit dem besten Leumund …«
»Pfft …«, meinte Trine.
Lukas reagierte gar nicht darauf. »Sie benahm sich wie die edle Metze eines Fürsten. Das kann sie sich nicht selbst beigebracht haben. Dazu gehört Anleitung. Ich hätte gleich wissen müssen, dass ihre Begierde nicht aus Liebe geboren war. Meine Beherrschung schmolz dahin wie Schnee in der Sonne.«
»Genau, was wir in Mainz erfuhren«, sagte Luzia. Als Lukas sie unverständig anstarrte, nickte sie bestätigend. »Noß machte einer Frau aus Fulda das Angebot, den Ehemann einer Eingekerkerten zu verführen, um deren ketzerische Geheimnisse herauszufinden.«
»Aber welche Geheimnisse sollte denn der Ehemann besitzen?«, wunderte Lukas sich.
»Genau das fragte die Frau auch. Da machte der Zentgraf ihr klar, dass der Verkehr mit einem Teufel Zeichen auf dem Körper einer Frau hinterlässt, die sie nur mit Hinterlist vor
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