Die Hexe muss brennen. Historischer Roman. (German Edition)
ihres Planes mitzuerleben.
Begrüßung und Vorreden waren schon vorüber. Wahrscheinlich hatte der Erzbischof geklagt, dass sein Herzleiden, eine trotz vielerlei Kuren immer schlimmer werdende Brustenge, eine Angina pectoris, sein Arbeitspensum einschränkte. Deshalb befasse er sich nur noch mit Kirchenangelegenheiten und habe keine Zeit an Laien zu verschwenden. Aber es handele sich um eine Kirchenangelegenheit, sogar um eine sehr schwerwiegende, insistierte Doktor Patrizius, weshalb er seinen Klienten nach Hause geschickt habe. »Es ist mir völlig bewusst, dass ein Inquisitor ständig den schlimmsten Angriffen ausgeliefert wird und daher Euer vollstes Vertrauen genießen muss, Exzellenz. Gerade aus diesem Grund ging ich besonders sorgfältig den Hinweisen nach, die mich erreichten. Und genau deshalb bat ich um die Anwesenheit des Mannes, den ich vor Euch nun beschuldigen muss. Exzellenz, die Ungeheuerlichkeit dessen, was ich hörte, entsetzt mich so sehr, dass ich kein Wort glaubte. Als ich es allerdings unabhängig voneinander dreimal zu Ohren bekam, begriff ich. Lasst mich zunächst die Zusammenhänge erklären.«
Er fasste in kurzen Worten die Kindheitserlebnisse Magdalenes zusammen und schilderte jeweils ausführlich die Vergewaltigungen. »Ja, Exzellenz, Ihr braucht mich nicht zu ermahnen, ich weiß, dass derlei zu den üblichen Anschuldigungen gehört, die ein Mann mit dieser Verantwortung zu hören bekommt, haltlose Verleumdungen. Aber lasst mich weiter berichten. Es gab eine zweite Frau, die festgenommen war und - ich fasse mich kurz - folgendes berichtete:« - Papier raschelte - »›Er‹ - sie meint also Herrn Zentgraf Balthasar Noß - ›hörte auf, mich zu schlagen, als ich sagte, ich könne jedes Schloss in Sekunden öffnen. Er fragte, ob ich das auch mit einem Schrank könne, was ich bejahte. Ob ich denn eine Probe bestünde, was ich auch bejahte. Darauf machte er mich los, gab mir Kleidung und ließ mich ihn begleiten in ein Bürgerhaus wenige Straßen vom Kloster entfernt. Eine Dame öffnete und führte uns demütig in ein Esszimmer, aus dem er sie hinausschickte, eigenhändig Bier von der entfernten Wirtschaft zu holen. Dann zeigte er mir den Schrank. Das Schloss öffnete ich und nahm Papiere heraus, die er mir bezeichnete. Ich richtete alles so her, dass niemand den Diebstahl bemerkte. Bevor ich ihm die Papiere in die ausgestreckte Hand gab, hörte ich die vornehme Dame wiederkommen, worauf ich die Papiere unter einem Pult versteckte und tief darunterschob.‹ Soweit, Exzellenz, die Aussage dieser Frau, die bald darauf dem Zentgrafen entfloh. Sie wurde nicht weiter verfolgt, weil die Anklage der Hexerei sich als haltlos erwies. Sie fand sich nur als Opfer eines rüden Studentenscherzes.«
Von Kronberg stöhnte. »Patrizius, was geht mich das an? Wenn es sich nicht um Wegener handelte, der mir das beste Horoskop von allen herzustellen vermag …«
Der Advokat unterbrach ihn hastig. »Sofort, Exzellenz, nur eine Sekunde. Jetzt der Zusammenhang: Magdalene Wegener wurde von Zentgraf Noß persönlich angeklagt, weil sie ihren Taufschein nicht auffinden konnte, den er nur einen halben Tag im Anschluss an den Diebstahl von ihr verlangte. Herr Doktor Wegener fand die Papiere noch am gleichen Abend unter seinem Pult, weshalb der Zentgraf sie freilassen musste. Ja, Exzellenz, denkwürdig, aber nicht der Grund, weshalb ich Eure kostbare Zeit in Anspruch nehme. Das ist nämlich die weitere Aussage dieser Diebin, die stattfand - cave! - bevor Jungfer Magdalene freigesetzt wurde. Denn statt der Diebin die versprochene Freiheit zu geben, führte der Zentgraf sie erneut zum Verhör und verlautbarte ihr, dass sie mit ihren Fähigkeiten bewiesen habe, eine Hexe zu sein, und deshalb den Tod verdiene. Exzellenz, Ihr kennt die Prozedur, sie war entkleidet und fixiert, da muss ich nicht viel sagen. Lasst mich bitte die Aussage dieser Frau weiterlesen: ›Er sagte mir also, ich solle gestehen, dass der Satan mir diese Fähigkeit verlieh, weil die Folter dann erst ende, und wenn ich widerriefe, sie sofort wieder losginge. Er schickte seine beiden Knechte hinaus und schalt sie, er besorge es lieber selbst, weil sie zu gnädig seien. Kaum waren sie aus dem Raum, da tat es einen heftigen Knall hinter mir, so dass ich zusammenzuckte und mich umschaute. Da stand in grässlich lodernder Gestalt ein Teufel und grinste furchterregend. Der Zentgraf sah ihn und sank auf die Knie und senkte das Haupt bis auf den Boden. Er
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