Die Hexe soll brennen
steckte den Rest seiner Mahlzeit weg. Es schmeckte ihm nicht mehr.
»Ja, sollst fasten und beten«, riet ihm der Pförtner. »Hast das Böse nah an dich herangelassen, viel zu nah. Aber bist vielleicht noch rechtzeitig zu uns Kapuzinern gekommen. Bet' jetzt, und wenn die Brüder aus der Kirche kommen, ruf' ich dich.«
Damit verschwand er in seiner Torstube, und der Auer blieb allein auf seiner Steinbank sitzen. Er krampfte die Hände ineinander und murmelte die lateinischen Fetzen, die er in der Geislinger Kirche aufgeschnappt hatte. Es klang nicht anders als bei Katharina Grueber, wenn sie in Verzückung fiel. Sinnlose Verballhornungen, von der Angst und der Hilflosigkeit eingegeben. Aber es half. Johann Auer fühlte sich bald betäubt und durfte vergessen, und als der Pater ihn rief, da schrak er zusammen.
Der Kapuziner stand im Kreuzgang. Dichter Bart unter langer spitzer Kapuze, den Leib vom kastanienbraunen Habit verhüllt, um die Lenden einen weißen Strickgürtel, daran der Rosenkranz. Seine dunklen Augen blickten nicht mild, Franziskus war vergessen, glühende Pfeile schossen auf den unterwürfig herankommenden Zinsbauern. »Da habt ihr also eine Hexe zu Geisling, ihr Sünder!« Mit diesen Worten schmetterte der Kapuziner den Johann Auer zunächst einmal nieder.
Der wußte nichts anderes, als sich zu bekreuzigen und auf die Knie zu fallen.
Der Pater ließ ihn so liegen; während er seine Befragung durchführte. Die Kniescheiben des Bauern schmerzten auf dem eiskalten Pflaster, während er stammelte, zögerte, klagte. Kaum eine der Fragen des Kapuziners begriff er wirklich; sie donnerten auf ihn herab und schüchterten ihn nur ein. Aber zuletzt vernahm er den Befehl aufzustehen. Es gelang ihm mit halb erfrorenen Knien nur schlecht. Als ihm aber der Kapuziner den Tag nannte und die Stunde, da er mit einem Bruder nach Geisling kommen würde, fühlte sich der Auer erleichtert.
Er wartete noch eine Weile und empfing dann den Brief an den Pfarrer von Geisling, den er noch heute bei Strafe an Leib und Leben auszuhändigen hatte. Zuletzt rannte er fast durch die Pforte hinaus in die Ostengasse, passierte das Tor und machte sich mit verwirrtem Kopf auf seinen fünfstündigen Heimweg.
***
In derselben Nacht trafen sich die Dörfler wiederum in der Grueberschen Kate, doch diesmal fanden sie Katharina auf ihrem Strohlager. Das Mädchen fieberte, phantasierte und weigerte sich, erneut mit der Auerin und den Seelen der anderen in Verbindung zu treten. Auch jetzt wiegte sie sich wieder, doch in heftiger Abwehr. Die Alten freilich sahen die Bündel, die die Geislinger mitgebracht hatten, witterten Braten, Geräuchertes und Dörrobst, und der alte Grueber zwang Katharina, mit der Litanei zu beginnen.
Fieberheiß gehorchte sie und beschwor einem Leibeigenen aus dem Vorwald dessen verstorbenes Weib. Der Hammer des alten Grueber malträtierte in der Finsternis die Katenbalken, und um der Verstorbenen möglichst nahe zu sein, kroch der Leibeigene zu Katharina auf den Strohsack, griff nach fieberheißem Fleisch, drängte sich an warme, dünne Schenkel, mischte wundergläubig seinen Bocksbrodem mit Katharinas sauerem Schweißgeruch.
Einige bekamen mit, was sich auf dem Strohsack abspielte, bemerkten auch, wie Katharina widerwilliger in beschwörerischer Verzückung sich wiegte, sich wand, wie sie sich mit brechender Stimme flüchtete in Jumpfengranz, Allsündiger und Domkron. Doch niemand muckte auf, denn wiederum donnerte der Hammer des alten Grueber; ein weißes Tuch ließ sein Weib durch das Dunkel flattern, um die Seele der Verstorbenen noch greifbarer zu machen, und Katharinas machtvolle Litanei wurde von der Gemeinde beantwortet mit gefisteltem »UnserAllerSünd'« und gebrülltem »BlutChristiSeiUnsGnädig«. Auf dem Höhepunkt der Gespensterbeschwörung, als die Mitternacht sich bereits näherte, schlich draußen der Auer vorbei, müde von zehnstündigem Fußmarsch. Er hörte den satanischen Lärm und bekreuzigte sich, eifriger noch, als er es im Kloster getan hatte. Aber erst, als er ein gutes Stück zwischen sich und die verfluchte Kate gebracht hatte, murmelte er wütend und schadenfroh: »Treibt's nur mit dem Teufel. Treibt's noch eine kleine Weil'. Sind aber erst die Kapuziner im Dorf, wird's für den Leibhaftigen Maulschellen setzen – und brennen wird Geisling!«
Die Teufelsaustreibung
März 1689
»Als nun die HH. Capuciner von Regenspurg herauß gewesen, und Ire Benediction mit Rauch,
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