Die Hexe soll brennen
erlöst. Sie zog das Hemd enger um sich, schlüpfte vom Strohsack und tappte zum Lager der Eltern. Unter der drängenden Berührung Katharinas erwachten die beiden.
»Eines von euch muß zum Pfarrer gehen, gleich morgen früh«, flüsterte Katharina. »Ihr müßt ihm sagen, daß ich der Auerin ihre Seel' morgen Nacht erlösen werde. In der letzten Stund' vor Mitternacht. Der Felß muß selbst sehen, wie sie mich alle ins Unrecht gesetzt haben. Wenn der Pfarrer dabei ist, kann's auch keine Sünd' sein.«
»Du bringst uns alle ins Unglück«, jammerte die Mutter. »Kannst' denn gar keinen Frieden geben?«
Aber der alte Grueber sagte, nachdem er sich schnaufend bedacht hatte: »Wenn der Felß dabei ist, hat alles seine Richtigkeit. Und die Leut' werden uns wieder achten. Werden uns wieder mitkommen lassen im harten Winter. Ich geh' zum Pfarrer – gleich morgen früh.«
***
Die Eckhin mußte einen sechsten Sinn haben. Schon im Morgengrauen duckte sie sich hinter dem abgestellten Brunnen beim Pfarrhof, und so sah sie den alten Grueber ins Haus kommen. Aufgeregt grinste sie überm gelben Stockzahn.
Drinnen saß Raimund Felß beim Frühstück. Die Morgenandacht hatte er bereits hinter sich. Als Johann Grueber sein Anliegen vorbrachte, fuhr der Pfarrer, gewöhnlich eher sanftmütig, wütend hoch.
»Seid ihr denn jetzt von allen guten Geistern verlassen? Kaum sind die Hochwürdigen Kapuziner aus dem Dorf, soll es bei euch mit dem Spuk schon wieder losgehen. Der Pater Korbinian hat es deutlich gesagt: Deine Dirn bildet sich den ganzen Hokuspokus bloß ein in ihrem Kindskopf.«
»Die Katharina hat's mir geschworen, daß in der heutigen Nacht die Seel' der Auerin erlöst werden soll«, beharrte der Grueber. »Was könnt Ihr dagegen haben, Hochwürden? Es wär' eine gute Tat, wenn mein Dirndl mit seinen Gebeten …«
»Gebete. In der Kirche soll sie beten, die Närrin«, schnaubte Felß.
Johann Grueber war ein einfacher Mensch und manchmal ein Feigling. Aber manchmal wußte er seinen Vorteil wahrzunehmen. »Gilt ein Gebet in der Kate nichts?« fragte er scheinheilig.
»Nichts, wenn es zwischen den Dünsten von Geselchtem und Gebratenem zum Himmel steigen will!«
Der Grueber begriff. »Ja, wir haben Gaben von den anderen im Dorf angenommen«, gab er zu. »Wir hätten's nicht tun sollen. Soll heut' nacht auch nicht mehr geschehen, Hochwürden. Ihr sollt selbst sagen, wen von den Leuten Ihr dabeihaben wollt. Es können die Frömmsten von Geisling sein. Gerade die sollen als Zeugen zu uns kommen.«
Angewidert stieß der Pfarrer das Frühstücksgeschirr zurück. »Ich sollte dir's nicht durchgehen lassen. Es sollt' endlich einmal ein Ende sein. Hast du schon vergessen, wie der Pater dein Kind mit der Geißel strich? Wie du selbst geflennt hast?«
»Gar nicht – und gerade deswegen will ich beweisen, daß die Katharina keine Schwindlerin ist.« Flehend blickte der Taglöhner den Geistlichen an. »Und bloß Ihr allein könnt mir dabei helfen. Laßt mich nicht im Stich, Hochwürden! Ihr braucht bloß kommen und schauen. Zusammen mit ehrbaren Leuten. Mehr verlang' ich nicht.«
»Hast überhaupt nichts zu verlangen«, preßte der Pfarrer hinter zusammengebissenen Zähnen hervor. »Wann sagst du, soll es sein?«
»Wenn Ihr eine Stunde vor Mitternacht kommen wollt, Hochwürden. Die Katharina schwört, daß in der letzten Stunde vor Mitternacht die Seel' der Auerin zum Himmel auffahren soll. Bringt den Witwer mit als Zeugen. Wenn es nicht ehrlich zugeht, soll mich der Auer selbst erschlagen dürfen.«
»Das Dirndl schwört, und der Vater will sich gar gleich erschlagen lassen. Sauber!« Felß schüttelte angewidert den Kopf. »Also gut, ich werde kommen, weil endlich einmal Schluß mit der Geschichte sein muß – so oder so. Aber das eine schwöre jetzt ich dir: Wenn ihr Grueberschen wiederum einen Schwindel aufzieht, dann kenne ich keine Milde mehr. Dann muß die Kathrin es büßen. Zum Pfatterer Pfleger lasse ich sie dann bringen, damit sie ihr dort am Pranger die Frechheit austreiben. Hast du mich verstanden, Johannes Grueber?«
»Es wird kein Schwindel sein«, beteuerte der Taglöhner. »Gelobt sei Jesus Christus. Bis eine Stund' vor Mitternacht also. Und vergelt's Gott, daß Ihr mich angehört habt.«
»Den Johann Auer bringe ich mit«, sagte Felß drohend zum Abschied.
Als der alte Grueber, zufrieden vor sich hin murmelnd, den Pfarrhof verließ, kicherte schadenfroh die Eckhin. Sie hatte, neben einem Fenster
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