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Die Hexe und der Herzog

Die Hexe und der Herzog

Titel: Die Hexe und der Herzog Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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Obwohl sie ordentlich an der Hofmeisterin verdient hatte, krampfte sich bei ihrem Anblick alles in ihr zusammen. Wilbeth schloss die Hand mit den Körnern zur schützenden Faust.
    »Was wollt Ihr?«, fragte sie anstatt einer Begrüßung. Ein Tag, auf den sie lange gewartet hatte. Der Inquisitor hatte die Stadt verlassen, die Angst war geschwunden. Heute Nacht würden sie sich unbeschwert gemeinsam um das Feuer versammeln können.
    »Deine Hilfe.« Almas Augen waren dunkel umschattet. Sie erschien Wilbeth noch knochiger und ausgezehrter als beim letzten Besuch.
    »Heute ist ein hoher Festtag …«
    »Muss ja nicht lange dauern«, fiel die Hofmeisterin ihr ins Wort. »Wenn Ihr mir gebt, was ich brauche, bin ich gleich wieder fort.«
    Schweigend führte Wilbeth sie in die Stube und legte dabei die Körner unauffällig in ein Schälchen. Sie hatte neue Schnüre gespannt, an denen dicke Johannisbuschen hingen, zusammengestellt aus Fingerkraut, Wolferlei, Beifuß, Steinklee und anderen Heilpflanzen, deren Wirkung besonders kräftig war, wenn sie an diesem Tag gepflückt wurden.
    Der gleiche Tisch. Die gleichen Stühle. Einige Male waren sich die beiden so unterschiedlichen Frauen hier nun schon gegenübergesessen. Da die Besucherin keinerlei Anstalten machte, etwas zu sagen, nickte Wilbeth ihr aufmunternd zu.
    »Das Schlimmstmögliche ist eingetroffen«, stieß Alma von Spiess schließlich hervor. »Ich bin schwanger!«
    »Dann habt Ihr Euch wohl das verkehrte Haus ausgesucht. Die Hebamme wohnt ein ganzes Stück näher an der Hofburg.«
    »Ich kann das Kind nicht bekommen, verstehst du? Es ist vom – falschen Mann!« Ihre Augen füllten sich mit Tränen.
    »Ich kann Euch trotzdem nicht helfen.«
    Almas erster Besuch stand Wilbeth wieder vor Augen, als wäre es erst gestern gewesen. Und die Handlinien, die ihr schon damals den Tod angezeigt hatten. Frösteln überkam sie. Besser, sie hätte die Hofmeisterin auf der Stelle weggeschickt, ohne sich jemals auf sie und ihre seltsamen Wünsche einzulassen.
    »Nicht mit all diesem Unkraut hier?« Alma stieß an einen der Buschen, der zu schaukeln begann. »Mach mir nichts vor – das muss doch möglich sein!«
    »Das sind Kräuter zum Gesundwerden, nicht zum Töten.«
    »Aber du musst – das bist du mir schuldig! Mein Mann wird mich umbringen, wenn er erfährt, dass ich …« Sie schlug die Hände vor das Gesicht und weinte.
    Wilbeth wartete ab, bis sie sich wieder halbwegs gefasst hatte.
    »Das haben schon viele vor Euch gedacht«, sagte sie schließlich, »dass das neue Leben in ihrem Leib nichts als Unheil und Leid verursachen würde. Und dann ist es doch ganz anders gekommen, und sie waren schließlich sehr froh darüber. Jedes Kind ist ein Segen. Und gerade in dieser heiligen Nacht …«
    Die Augen der Spiessin waren schmal geworden.
    »Fahr nur weiter fort mit deinem heidnischen Gerede!«, sagte sie, plötzlich ganz und gar nicht mehr in Tränen aufgelöst. »Denn das passt ja nur allzu gut zu all dem wirkungslosen Teufelszeug, für das du mir mein gutes Silber aus der Tasche gezogen hast. Damit allerdings verstößt du gegen die heiligen Gesetze der Kirche, weißt du das eigentlich? Wenn dir da jemand auf die Schliche käme, könnte es schnell äußerst ungemütlich für dich werden.«
    Wilbeths Gesicht zeigte keinerlei Regung.
    »Bist du plötzlich taub geworden?«, schrie Alma. »Oder stumm? Antworte mir gefälligst!«
    »Es ist besser, wenn Ihr jetzt geht«, sagte Wilbeth. »Und den Weg zur Hebamme Pflüglin könnt Ihr Euch auch sparen, falls Ihr das im Sinn haben solltet. Denn aus Barbaras Mund werdet Ihr nichts anderes zu hören bekommen als aus meinem.«
    »Du verweigerst mir also deine Hilfe? Das wagst du, mir frech ins Gesicht zu sagen?«
    »Mit Töten will ich nichts zu tun haben.«
    Alma von Spiess sprang so schnell auf, dass der Stuhl hinter ihr krachend umfiel.
    »Das wirst du noch bereuen!«, rief sie. »Mich einfach im Stich zu lassen, nachdem ich schon viel bezahlt habe! Zum Glück gibt es andere, sehr viel weniger hochmütige Hexenweiber in dieser Stadt, die einer Frau in Not sehr wohl beistehen. Aber du wirst dich an mich erinnern – und an diesen Tag, das schwöre ich im Namen der allerheiligsten Jungfrau!«
    Sie stürmte hinaus, ließ die Tür offen stehen.
    Wilbeth, die plötzlich einen trockenen Mund hatte, wusste nur zu genau, zu wem die Spiessin als Nächstes rennen würde: schnurstracks zur alten Bleidlerin, unten am Inn, bei der man bekam, was

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