Die Hexe und der Herzog
sich um, weil sie es einfach tun musste. Da sah sie Johannes Merwais, gebeugt wie ein alter Mann, zurück in Richtung Kontor laufen, als hätte jemand ihm gerade einen Hieb versetzt. Etwas krampfte sich in ihr zusammen. Der Zauber des Augenblicks war mit einem Schlag verflogen.
»Diesen Langweiler hätten wir schon mal abgeschüttelt«, sagte Niklas schließlich. »Gefällt mir schon eine ganze Weile nicht, wie eilfertig der um dich herumschwänzelt.«
»Johannes Merwais schwänzelt nicht«, widersprach sie und zog ihre Hand zurück.
Immer mehr Leute kamen aus den Häusern, manche mit alten Besen oder Reisigbündeln in der Hand, die sie dem Rotfeuer opfern wollten. Viele grüßten oder nickten Lena freundlich zu, die sich sehr gerade hielt und den Abstand zu Niklas vorsichtshalber noch vergrößerte, damit die Leute den Klatsch über den schmucken Spielmann und sie nicht auf der Stelle zu Els in den »Goldenen Engel« trugen.
»Und ob dein Johannes das tut! Sein Hunger ist doch bloß ein billiger Vorwand, um in deiner Nähe zu sein.« Lena ging noch schneller, und er musste lange Schritte machen, um sie einzuholen. »Kann ich ja verstehen, dass du einem wie ihm rettungslos den Kopf verdreht hast …«
Sie blieb stehen, funkelte Niklas aufgebracht an. »Noch ein Wort – und ich kehre um und laufe nach Hause!«
»Schon gut, schon gut! Dein Wille sei mir Befehl, meine Schönste!«
Und wirklich gelang es ihm zu Lenas Überraschung, den Rest des Weges seinen vorwitzigen Mund zu halten. Eine große Zahl meist jüngerer Leute hatte sich auf dem Hügel um den riesigen Holzstoß versammelt, der gerade entzündet wurde. Zu Lenas Erstaunen war auch Dietz dabei, Purgl Geyers jüngerer Bruder, der sie ebenso stumm wie brünstig anstarrte.
»Bis der Stoß niedrig genug heruntergebrannt ist, dass man darüberspringen kann, ohne gleich in Flammen aufzugehen, haben wir sicherlich Maria Himmelfahrt«, spottete ein blonder Mann, der seine Liebste fest im Arm hielt.
»Dann lass uns in der Zwischenzeit tanzen!«
Ein paar der Feiernden hatten einfache Instrumente mitgebracht, Flöten, ein alte Maultrommel, Sackpfeifen, einer sogar eine windschiefe Fiedel, die er reichlich unbeholfen malträtierte. Niklas ließ sich Zeit und hörte erst einmal zu, bis er schließlich seine Laute zur Hand nahm, ab jetzt gab er den Ton an. Die anderen hielten zunächst erschrocken inne, als sie hörten, wie sicher sein Anschlag war, nach und nach aber fassten sie Mut und fielen wieder mit ein. Aus dem schiefen Katzenkonzert waren fröhliche, durchaus brauchbare Tanzweisen geworden.
»Komm!« Ein junges Mädchen nahm Lenas Hand und zog sie einfach mit. Sie umkreisten das Feuer, das in den Abendhimmel loderte, der tiefblau und golddurchwirkt war, als habe die Madonna eigens ihren schützenden Mantel über die Menschen gespannt. Krüge mit Bier und Met machten die Runde und wurden wieder frisch gefüllt, ehe sie erneut von Mund zu Mund wanderten. Giggelndes Lachen stieg auf, die ersten Paare suchten sich ein geschütztes Plätzchen außerhalb des Feuerscheins für weitere lustvolle Vergnügungen.
Lenas Haut fühlte sich heiß an, die Haare hatten sich gelöst und tanzten auf ihrem Rücken. Sie schwitzte, lachte, fühlte sich ausgelassen wie nie zuvor.
»Ja!«, schrie sie zusammen mit den anderen Frauen, als immer mehr Besen und Reisigbündel von den Flammen gefressen wurden. Und: »Weiter so!«, als Mädchen ihre frisch gepflückten Blumensträuße dem Feuer preisgaben und lauthals darum beteten, dass mit diesen sich all ihr Missgeschick in Rauch auflösen solle.
»Jetzt will ich endlich mit dir tanzen!«, verlangte Lena. Niklas legte seine Laute fort und drehte sich mit ihr, bis ihr schwindelig wurde.
»In deinen schönen Augen ist immer Nacht«, flüsterte er an ihrem Hals. »Wie sehr ich mich danach sehne, in dieser Dunkelheit zu ertrinken!«
»Springst du später mit mir über das Feuer?«, fragte sie, ebenso trunken vom Met wie vom Tanz, von Kopf bis Fuß erfüllt von den berauschenden Empfindungen dieser Nacht.
»Aber du weißt schon, was das bedeutet?« Jetzt war sein Gesicht sehr ernst geworden. »Mit dem man über das Feuer springt, den wird man später auch heiraten.«
»Wäre das denn gar so schlimm? Oder ist dir die Köchin der Herzogin zu gering, wo dein Vater doch …«
Er verschloss ihren Mund mit einem langen Kuss, wirbelte sie weiter und weiter, bis sie ein ganzes Stück von den anderen entfernt zum Stehen kamen.
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