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Die Hexe und der Herzog

Die Hexe und der Herzog

Titel: Die Hexe und der Herzog Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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durchs Ziel geht? Dann lebt ruhig weiter so mit Eurem Schwindel!«
    Eine Weile blieb es ruhig. Merwais wischte sich mehrmals mit der Hand über das Gesicht, während der Medicus ihn gelassen dabei betrachtete.
    »Johanni«, sagte er schließlich. »Bis dahin ist es ja nicht mehr weit. Ihr habt ja so recht mit allem, was Ihr gesagt habt! Johanni – ist das nicht eine geeignete Gelegenheit?«
    »Ausgezeichnete Idee!« Van Halen verzog seinen Mund zu einem breiten Grinsen. »Dann strengt Euch aber auch gefälligst an, um Lena vorzuführen, wie die Liebe einen lahmen Phlegmatiker scheinbar mühelos in einen leidenschaftlichen Sanguiniker verwandeln kann!«

     
    Seitdem sie sein Fleisch entweiht hatte, waren die Dämonen der Nacht noch unbarmherziger gegen ihn geworden. Während die Anfälle bislang zwar in gewisser Regelmäßigkeit aufeinander erfolgt, aber doch meist von größeren Abständen unterbrochen waren, so suchten sie Kramer jetzt geradezu atemlos heim. Es vergingen kaum ein paar Tage, an denen er sich einigermaßen stabil fühlen konnte, und schon verschwammen erneut die Konturen aller Gegenstände vor seinen Augen, und das Pochen an der linken Schläfe zeugte vom Neuaufflammen der altbekannten Schmerzen.
    Doch nicht sie waren es, die ihm am meisten zusetzten, sondern die furchtbare innere Wandlung, die seit jenem bedauerlichen Vorfall in der Innsbrucker Hofburg mit ihm vonstattenging. Für Kramer war es, als sei ein Vorhang zerrissen, der bislang seine Keuschheit geschützt und alles widerwärtig Fleischliche wohltuend vor ihm verborgen hatte. Nun aber lauerten sie ständig und überall: Lippen, Brüste, Schöße, die ihn unaufhörlich bedrängten und zu immer neuen Todsünden aufforderten.
    Er betete auf den Knien, fastete bis zur Ohnmachtsgrenze, flehte Gott weinend um Gnade an und schrieb sich nächtelang die Finger wund, um diesem Wahnsinn endlich zu entkommen. Doch schon der nächste Morgen konfrontierte ihn erneut mit der abgrundtiefen Verdorbenheit der Weiber, die seine Gedanken besetzten und seine Männlichkeit lüstern und hart werden ließen.
    Dieser Speer aus Fleisch marterte ihn regelrecht, und nichts wollte dagegen helfen, nicht einmal die grimmige Strenge, mit der er im Beweisverfahren gegen die angeklagten Hexen Anna Mindelheimer und Agnes Bader vorging. Beide wurden des Wetterzaubers verdächtigt, hatten in und um Ravensburg so böses Hagelwetter gehext, dass es nicht nur zu verheerenden Flurschäden gekommen war, sondern neben mehreren verendeten Kühen und Schafen auch ein Menschenopfer durch Blitzschlag zu beklagen war. Lange hatten die beiden jegliches Geständnis verweigert; weder Daumenschrauben noch die Streckbank hatten sie dazu bringen können, endlich ihr Gewissen zu erleichtern und ihre Seele vor ewiger Verdammnis zu bewahren. Schließlich war Kaplan Gremper, die ganze Zeit über Kramer als tüchtiger Notarius zur Seite, auf die Idee verfallen, Anna Mindelheimer stark Gesalzenes verabreichen zu lassen und ihr anschließend jegliche Flüssigkeit zu verweigern.
    Was zerschmetterte Glieder und gebrochene Gelenke nicht vermocht hatten, das gelang dem quälenden Durst. Nach zwei Tagen gestand die Mindelheimerin all ihre Vergehen, räumte ein, dass sie seit geschlagenen achtzehn Jahren fleischlich mit dem Satan verkehre, beschrieb jede ihrer widernatürlichen Lüste bis ins Detail und sagte nach der gnädigen Zuführung eines Liters Wasser, den sie wie ein Schwamm in sich aufsog, ebenso ausführlich aus, wann und auf welche hinterlistige Weise sie den Schadenszauber bewerkstelligt habe.
    Voller Abscheu starrte Kramer durch den Schlitz, der ihn alle Vorgänge im Frauenturm, wo die Fragstatt seit Neuestem untergebracht war, als Beobachter verfolgen ließ, ohne dass er selbst von den Hexen gesehen werden konnte. Vor ihm kauerte eine kahle, hässliche Vettel in stinkenden Lumpen, wimmernd, kotbeschmiert, kaum noch als menschliches Wesen auszumachen. Sie würde der reinigenden Kraft des Feuers nicht lange standhalten können, so viel war jetzt schon gewiss, und daher kaum als Abschreckung für all diejenigen dienen können, die insgeheim den frevelhaften Gedanken hegten, sich Satan ebenfalls fleischlich hinzugeben.
    Ganz anders dagegen Agnes Bader. Sie war jung und gut gebaut, dazu ledig, was von Anfang an Verdachtsmomente auf sie gelenkt hatte. Aus irgendeinem Grund hatte man versäumt, ihr das lange Haar abzuscheren. Dunkel wie Rauch fiel es über den schmalen Rücken, tanzte bei jeder

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