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Die Hexe und der Herzog

Die Hexe und der Herzog

Titel: Die Hexe und der Herzog Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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gelösten Mieder, die vor Schreck beinahe zu atmen vergaß und sich plötzlich nur noch ganz weit weg wünschte.
    »Die Herzogin«, sagte die Spiessin schließlich. »Sie bittet Euch in Ihre Gemächer. Es sei äußerst dringend, das lässt sie Euch ausrichten.«

     
    »Dann rede, meine Tochter!«
    Die Frau mit den wirren Haaren und den schmutzigen Händen begann mit ihrer langatmigen Darstellung. Kramer ertappte sich dabei, wie seine Gedanken abschweiften. Die Hitze des Sommertages hatte sich unter den dunklen Dachbalken schier unerträglich angestaut, und er schwitzte heftig unter seiner Kutte. Außerdem war die Ausbeute heute bislang äußerst dürftig gewesen. Was scherten ihn Kühe, die keine Milch mehr geben wollten, und tote Hühner im Stall, die ebenso gut auch ein Marder gerissen haben konnte? Er war begierig nach den echten, den richtigen Hexenverbrechen.
    »Schert euch zum Teufel!«, hörte er die Frau leiern. »Ja, genau das hat die Pflüglin zu uns gesagt, als sie uns aus ihrem Haus gewiesen hat, ohne dass wir ein neues Dach über dem Kopf gehabt hätten. Bitterkalt war es, und der Wind hat so gepfiffen, dass man keinen Hund rausgejagt hätte, aber das hat diese Hexe ja nicht gekümmert. Seitdem geht es uns sehr schlecht, sollt Ihr wissen. Mein armer Mann muss die ganze Zeit husten, und mein Bein will auch nicht mehr zuheilen. Das war sie – mit ihrer teuflischen Hexenkunst.«
    Die Frau machte doch tatsächlich Anstalten, ihre dreckigen Röcke zu heben und sich vor ihm zu entblößen!
    »Das ist nicht notwendig«, sagte der Inquisitor rasch, »aber der Name, wiederhole ihn noch einmal!«
    »Barbara. Barbara Pflüglin. Die Hebamme.«
    Sein Finger fuhr die Liste entlang. Genau – hier war sie. Eine gewisse Berta Säcklin war bereits gestern bei ihm gewesen und hatte die Hebamme beschuldigt, durch Hexerei für den Tod ihrer Schwiegertochter Margarete verantwortlich zu sein. Und jetzt diese Aussage. Sah ganz so aus, als würde da einiges an brauchbarem Material zusammenkommen. Er notierte den Namen der Zeugin und entließ sie.
    Das Wasser im Krug, mit dem er seinen Durst stillen musste, schmeckte brackig und abgestanden. Auch die Verpflegung ließ im »Schwarzen Adler« einiges zu wünschen zu übrig, und dennoch war das Gasthaus jetzt Abend für Abend brechend voll. Purgl, die Wirtin, hatte ihn vom ersten Tag an mit schmieriger Unterwürfigkeit behandelt, von der er sich freilich nicht täuschen ließ. Auch sie war schließlich nur ein elendes Weib, durch das die Sünde in die Welt gekommen war.
    Er seufzte, versuchte das lästige Pochen in der linken Schläfe zu ignorieren, das stärker geworden war, und ließ den nächsten Wartenden eintreten. Zum Glück endlich ein Mann, ein großer, bärenstarker Fassmacher namens Blasius Reindler, der nicht lange herumredete, sondern gleich zur Sache kam. Seine Aussage belastete die Totenwäscherin Rosin Hochwart schwer. Sie habe seine arme Genoveva verhext, auf dass diese auf den Tod erkrankt sei, und anschließend noch die Dreistigkeit besessen, ihr auf dem Totenbett einen Ring zu stehlen, den sie vor seinen Augen weggezaubert habe.
    »Fragt meine Töchter!«, rief er und schlug sich an die Brust. »Diese beiden unschuldigen Mädchen sind meine Zeuginnen vor der heiligen Jungfrau Maria.«
    Rosin Hochwart. Totenwäscherin. Ein Name, der ebenfalls nicht zum ersten Mal in Kramers Unterlagen auftauchte. Eine geifernde Alte hatte sie bereits vor Tagen beschuldigt, ihre kleine Enkelin verzaubert und so krank gemacht zu haben, dass das Kind gestorben war. »So kommt sie an ihre Kunden.« Das Kinn der Alten hatte vor Erregung gezittert. »Erst verhexen – und wenn sie tot sind, für gutes Geld waschen und zum Begraben herrichten.«
    »Und das ist beileibe noch nicht alles.« Die mächtige Brust von Blasius Reindler hob und senkte sich schnell. »Diese Weiber verursachen nicht nur Schaden durch ihre Hexenkräfte, sie versammeln sich auch heimlich nachts in der Sillschlucht, tanzen gottlos um ein Feuer und beten zu ihren Götzen.«
    »Wer?« Das Pochen war vergessen, Kramer stellte von Kopf bis Fuß gespannte Aufmerksamkeit dar. »Von wem sprichst du da im Einzelnen?«
    »Die Hochwartin, die Pflüglerin, die schwarze Els aus dem ›Goldenen Engel‹ und ihre alte Walsche, die ebenfalls dort lebt. Man sagt sogar, es sollen noch viel mehr Hexen sein, die dort regelmäßig zusammenkommen.«
    »Dann hast du sie mit eigenen Augen bei ihrem teuflischen Treiben

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