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Die Hexe und der Herzog

Die Hexe und der Herzog

Titel: Die Hexe und der Herzog Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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stierte sie waidwund an, fasste sich an die Brust. »Mir wird es so eng da drinnen, Hella.« Schweiß stand ihm auf Stirn und Oberlippe. Seine Bewegungen waren fahrig geworden. »Ein Eisenband, das alles zusammendrückt. Und schrecklich übel ist mir auch.« Er presste die Hand vor den Mund.
    »Warte – ich will dir lieber einen Eimer holen!« Hella ging hinaus in die kleine Abstellkammer.
    Ein lautes Plumpsen, das sie erstarren ließ.
    Als sie zurücklief, fand sie ihn auf dem Boden liegend, die Augen verdreht, dass nur noch das Weiße zu sehen war.
    »Leopold!« Sie kniete sich neben ihn, rüttelte ihn sanft. »Was hast du? Was machst du denn da? So rede doch!«
    Er bewegte die Lippen, schob die Zunge heraus, versuchte vergeblich, etwas zu sagen. Dann verkrampfte sich sein Körper, und sein Gedärm entleerte sich in einem stinkenden Schwall.
    Er rührte sich nicht mehr.
    Hella blieb neben ihm knien wie gelähmt, trotz des unerträglichen Gestanks. Sie vermochte keinen klaren Gedanken zu fassen, bis langsam erst die ganze Tragweite des Geschehens in ihr Bewusstsein drang. Sie überwand ihren Ekel und beugte sich über den Reglosen. Nicht der Hauch eines Atemzugs. Leopold von Spiess hatte die Welt für immer verlassen.
    Hella stieß einen Schrei aus.
    Der Hofmeister des Herzogs tot in ihrem Haus – das konnte ihr eigenes Todesurteil bedeuten, sollte es ungünstig ausgehen. In wilder Panik schaute sie sich um, zerrte schließlich ein Laken aus einer der Truhen und warf es über ihn, damit sie den grässlichen Anblick nicht länger ertragen musste. Dann lief sie aus dem Haus, um Hilfe zu holen.
    Erst unterwegs wurde ihr bewusst, dass sie noch immer das kostbare Netz trug. Sie zerrte es vom Kopf und stopfte es in ihr Mieder. Schwer atmend erreichte sie schließlich Wilbeths Haus und schlug so fest mit der Faust gegen die Tür, wie sie nur konnte.
    »Hella …« Das Begrüßungslächeln erstarb der alten Frau auf den Lippen. »Aber du siehst ja aus, als sei dir soeben der Geist eines Verstorbenen begegnet!«
    »Viel schlimmer, Wilbeth.« Hella begann bitterlich zu weinen. »Denn ich war es ja, die Schuld daran hat, dass er gestorben ist.«

     
    »Gemach, gemach!«, flüsterte Barbara. »Sonst kippt der Karren um, und wir verlieren ihn noch auf halber Strecke.«
    »Dann landen wir alle zusammen am Galgen«, sagte Rosin bitter. »Das hat sie uns eingebrockt mit ihren ständigen Männergeschichten!«
    Gemeinsam versuchten sie, die Karre halbwegs im Gleichgewicht zu halten, was nicht einfach war, denn das Pflaster war holprig und die Ladung schwer. Sie hatten die Räder dick mit Sackleinen umschlagen, damit sie leiser waren, und den Toten mit einer Schicht weiterer alter Säcke zugedeckt. Es war alles andere als einfach gewesen, den Leichnam überhaupt in das Gefährt zu hieven, denn er schien plötzlich dreimal so schwer geworden zu sein. Ohne Rosins Kenntnisse, wie man die einsetzende Totenstarre brechen konnte, wären sie wohl gar nicht zurechtgekommen. Rosin war es auch, die immer wieder zur Eile ermahnt hatte, denn sie wusste aus Erfahrung, dass binnen Kurzem der Leichnam wieder für mindestens zwei Tage steif werden würde.
    »Ich kann euch ablösen, wenn ihr wollt«, sagte Els. »Ihr habt schon ein so langes Stück geschoben, und meine Kräfte sind noch ganz frisch.«
    »Die werden wir gleich noch brauchen, also spar sie lieber!«, sagte Wilbeth, die hinter ihnen ging und sich ständig umschaute, ob ihnen auch ja niemand folgte. »Wenn ihr euch streitet, wird es nur noch schwieriger. Dass Hella so ist, wie sie ist, wissen wir schon lange. Vielleicht ist ihr dieser schreckliche Vorfall ja eine Lehre, und sie wird künftig vorsichtiger sein.«
    »Den ›Vorfall‹ müssen wir erst einmal loswerden«, sagte Rosin. »Noch sind wir nicht am Inn.«
    »Schon bemerkenswert, wie sie es immer wieder versteht, sich fein herauszuhalten und die hässliche Arbeit auf andere abzuwälzen«, kam es von Els. »Manchmal frage ich mich, ob es richtig war, sie in unsere Gemeinschaft aufzunehmen.«
    »Sie ist jetzt schwanger und sie soll das Kind nicht verlieren«, sagte Barbara. »Außerdem sind wir stets füreinander eingestanden, wenn eine von uns Hilfe oder Unterstützung brauchte, so wie die Bethen es uns gelehrt haben.«
    Eine Weile blieb es still. Alle Häuser, an denen sie vorbeikamen, waren längst dunkel, denn sie hatten lange gewartet, nachdem Wilbeth sie herbeigeholt hatte und sie zunächst gemeinsam alle Spuren in Hellas

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