Die Hexe und der Herzog
Johannes? Ich mag es, wenn alles der Reihe nach geht und ich in Muße nachdenken kann, bis ich mich ganz sicher fühle.«
»Das kann ich gut verstehen.« Seine Augen strahlten. »Du kommst doch wieder, Lena – und hoffentlich schon sehr bald?«
»Oder du.« Lena strahlte zurück. »Oder solltest du inzwischen vergessen haben, wo die Küche des Frauenzimmers ist?«
Leichtfüßig nahm sie die Treppe nach unten, immer zwei Stufen auf einmal. Singen hätte sie können oder pfeifen, doch das schickte sich in der Hofburg nicht, so beschränkte sie sich auf ein leises, fröhliches Summen. Es gab eine Abkürzung quer durch die herzoglichen Gemächer, die sie sonst mied, weil Chunrat ihnen die Benutzung ausdrücklich untersagt hatte. Heute aber fühlt Lena sich so glücklich und übermütig, dass sie sich um das Verbot nicht scherte. Allerdings hätte sie wohl doch besser aufpassen sollen. Der lange Gang mit den vielen Türen, in dem sie sich auf einmal wiederfand, verwirrte sie und sie war sich nicht mehr sicher, wohin sie nun gehen sollte.
Während sie noch überlegte, öffnete sich auf einmal eine der Türen, und der Herzog stand vor ihr.
»Lena«, sagte er überrascht. »Mein närrisches Mädchen!«
Verlegenheit färbte ihre Wangen rot.
»Verzeiht, Euer Hoheit«, sagte sie. »Ich wollte nur …«
»Und wie reizend sie aussieht! Strahlende Augen, rosige Lippen und dieses sommerliche Kleid, das die schlanke Figur betont – du solltest immer dieses helle Blau tragen!«
Hatte er getrunken? Wenn ja, dann musste es eine ganze Menge gewesen sein. Noch niemals zuvor hatte Lena ihn so reden hören.
»Ich muss gleich weiter«, sagte sie schnell. »Meister Chunrat mag es nicht, wenn man ihn warten lässt.«
»Dein Herzog auch nicht.« Sie konnte sich nicht dagegen wehren, dass er sie an der Hand nahm und in das nächste Zimmer zog.
Ein Ruhebett, ein Kamin, ein Tisch, darauf ein Zinnkrug, Becher, eine Platte mit Schinken und Käse. Ganz ähnlich hatte es in dem Gemach ausgesehen, in dem sie Hella damals mit dem Hofmeister ertappt hatte. Lenas Kehle wurde eng, während der Herzog sie ungeniert von oben bis unten musterte.
»Du bist ja richtig erwachsen geworden«, sagte er. »Gar kein närrisches Mädchen mehr, sondern eine strahlende junge Frau. Und weißt du, was das Seltsamste ist? Jedes Mal, wenn ich dich sehe, kommt es mir vor, als würden wir beide uns bereits von früher kennen. Ist das nicht merkwürdig, Lena?«
Wenn nicht jetzt, wann dann? Sie musste es wagen!
Lena nahm allen Mut zusammen: »Ein kleiner Junge namens Sebastian fällt mir dazu ein, Euer Hoheit«, sagte sie. »Acht Jahre alt. Mit blonden Haaren, genauso blond, wie Ihr wohl einmal wart. Ein pfiffiger kleiner Kerl, auch wenn er meistens nicht viel sagt. Ist vielleicht einer wie er unter Euren Kegeln?«
»Ein Sebastian?« Er runzelte die Stirn. »Nicht, dass ich wüsste. Aber darüber will ich gar nicht weiter nachdenken, jetzt, wo wir beide endlich allein sind. Komm näher, Lena! Du brauchst keine Angst zu haben. Mir kommen da weitaus aufregendere Dinge in den Sinn, die wir gemeinsam tun können.«
»Da täuscht Ihr Euch!«, rief sie. »Weil ich nämlich gar nichts tun kann. Meister Chunrat …«
Er hatte ihren Arm an seine Lippen geführt und bedeckte ihn mit kleinen Küssen.
»So jung, so süß!«, flüsterte er. »Bestimmt noch Jungfrau, da möchte ich darauf wetten. Aber frisch und ein wenig vorwitzig, genauso, wie ich es mag. Und ich bin so allein. Hast du denn gar kein Mitleid mit deinem armen Herzog?«
»Ihr seid doch nicht allein! Eure junge Gemahlin …«
»Meine Gemahlin ist krank und leidet, seit Wochen schon. Ich bin sehr allein! Aber jetzt bist ja du gekommen, um mich aus meiner Einsamkeit zu erlösen. Und ich weiß schon jetzt, das wird dir bestens gelingen.«
Sie roch seinen Atem, eine Mischung aus Wein und den kleinen Lavendelpastillen, die er ständig kaute, und wich zurück.
Er griff nach ihr, erwischte aber nur das Miederband und zog kräftig daran. Das feine Band, das sie wegen der Hitze weniger eng als sonst geschnürt hatte, begann sich zu lösen.
»Was macht Ihr da?«, rief Lena und lief weg.
»Ein Spiel?« Seine Augen begannen zu leuchten. »Ich liebe Spiele!«
»Aber ich nicht!« Lena war an der Wand angelangt und konnte nicht weiter. »Lasst mich bitte! Ihr täuscht Euch – in allem!«
In diesem Moment flog die Tür auf. Der giftige Blick der Hofmeisterin traf erst den Herzog, dann Lena mit ihrem halb
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