Die Hexe und der Herzog
Heiligenfiguren aussehen zu lassen, und ihnen sogar die entsprechenden Attribute beigegeben: ein Rad, eine Schlange, einen Turm. Institoris aber wusste, dass diese hölzernen Bildnisse niemals Katharina, Margarete und Barbara darstellten. Dafür waren sie zu alt, zu hochmütig – zu stark. Außerdem trugen sie goldene Kronen auf dem Kopf, als ob sie allesamt Königinnen wären, wem aber außer der himmlischen Königin gebührte diese Zierde?
Am liebsten hätte er sie auf der Stelle mit einer Axt niedergestreckt, doch es galt, klug zu sein und besonnen vorzugehen – zumindest vorerst.
Er ging zur Tür zurück, musste sich aber noch einmal umdrehen, weil er das seltsame Gefühl hatte, als beobachteten sie ihn.
Draußen angelangt, blendete ihn die niedrig stehende Sonne. »Du kannst jetzt anfangen«, sagte er zu Dietz, der ihm mit blödem Ausdruck entgegenstarrte. »Vernagle die Tür – mit dem Zeichen des Kreuzes. Und nimm dazu die längsten Eisennägel, die du finden kannst!«
Hella gefangen genommen – Lena konnte es kaum glauben, als Vily mit dieser Nachricht zu ihr gelaufen kam. Er hatte sie von einem der Jäger, und was der sagte, musste stimmen, denn er war dabei gewesen, als man Hellas Haus durchsucht und sie schließlich festgenommen hatte.
»Jetzt sitzt sie im Loch«, sagte Vily düster. »Hier. Irgendwo unter uns. Und niemand darf sie sehen oder sprechen.«
»Hella eine Mörderin – niemals!«, rief Lena entsetzt. »Wo sie doch keinem Huhn den Kopf umdrehen kann. Das muss ein Irrtum sein, ein schrecklicher Irrtum. Ich werde sofort zur Herzogin laufen und ihr alles erklären.«
Sie band ihre Schürze ab und wusch sich Hände und Gesicht, doch als sie zu Katharina kam und die ersten Worte heraussprudelte, hob diese abwehrend die Hand.
»Ich fürchte, da kann ich dir nicht helfen, Lena«, sagte sie. »Wir alle machen uns große Sorgen um den Hofmeister. Und sollte ihm etwas zugestoßen sein und deine Freundin etwas damit zu tun haben, dann wird sie für ihre Tat büßen müssen.«
Es klang so abschließend, dass Lena entmutigt verstummte.
»Darf ich heute ausnahmsweise nach Hause?«, bat sie. »Ich möchte gern mit meinen Leuten reden.«
»Von mir aus. Nach dem Abendläuten. Doch morgen früh bist du wieder zurück.«
Es dauerte viel länger, als sie gedacht hatte, bis die Arbeit in der Küche endlich getan war. Chunrat schalt und raunzte wie in den allerschlimmsten Zeiten. Die Küchenjungen waren frech und ungeschickt; Vily fiel eine große Schüssel mit Heidelbeeren aus der Hand, die klirrend zerbrach. Lena half ihm, die Spuren auf dem Boden zu beseitigen. Danach waren ihre Hände blau, aber sie gönnte sich nicht die Zeit, sie erneut zu waschen, sondern hängte die Schürze an den Haken und lief los.
Natürlich wusste sie längst, dass Institoris diesmal im »Schwarzen Adler« wohnte. Um ihm auf keinen Fall zu begegnen, wählte sie eine andere Strecke, die etwas länger war, weil sie in einiger Entfernung am Wirthaus der Geschwister Geyer vorbeiführte. Sie war beinahe am Ziel, als plötzlich eine Gestalt aus der nächsten Einfahrt trat und ihr den Weg versperrte: Kassian!
Ihr Herz begann wie wild zu pochen.
Ein hässliches Lächeln glitt über sein Gesicht. Dann hob er die Hand und machte das Zeichen des Gehörnten. Bevor sie reagieren konnte, hatte er sich bereits umgedreht und war wieder verschwunden. Lena wusste genau, wohin er jetzt gehen würde – zu Institoris.
Schweißnass kam sie im »Goldenen Engel« an und erstarrte. Alle Stühle und Bänke waren leer. Kein einziger Gast hatte sich zu ihnen verirrt.
»Wie lange geht das schon so?«, fragte sie, als Els ihr einen Teller Suppe und etwas Most hinstellte.
»Seit ein paar Tagen. Verhungern werden wir trotzdem nicht so schnell, falls du dir Sorgen machen solltest.«
»Und ob ich das tue! Hella ist in der Hofburg gefangen...« Sie sah, wie Els bedrückt nickte. »Du weißt es also schon. Woher?«
»Die ganze Stadt spricht von nichts anderem. Andres ist sofort zum Herzog geeilt, doch der hat ihn nicht einmal empfangen.«
»Aber sie war es nicht. Das weiß ich!«
»Wir alle wissen es – und trotzdem scheint es im Moment unmöglich, etwas für sie tun. Hella hat sich da eine gefährliche Frau zur Feindin gemacht, gegen diese Hofmeisterin sind wir alle machtlos.«
Nie zuvor hatte Lena Els so mutlos gehört. »Aber wir können doch nicht dasitzen und nichts tun!«, rief sie. »Und Hella verrottet unschuldig im Loch!«
»Wir
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