Die Hexe und der Herzog
haben alles versucht«, sagte Els und sah so traurig und erschöpft dabei aus, dass Lena erschrak. » Alles . Dazu hätte es niemals kommen dürfen – und trotzdem ist es geschehen.«
Da war doch etwas, was sie geheim hielt! Lena spürte es genau.
»Was soll das heißen? Was verheimlichst du mir?«, fragte sie.
»Nicht mehr, als auch du für dich behältst«, sagte Els, legte ihr kurz die Hand auf den Kopf und erhob sich. »Ich werde versuchen, ein wenig zu schlafen. Obwohl ich jetzt schon weiß, dass es wieder nicht gelingen wird.«
Tief beunruhigt stieg Lena die Treppe hinauf. Die Tür zu Sebis Zimmer stand angelehnt. Neben seinem Bett brannte eine Öllampe, weil er sich manchmal in der Dunkelheit fürchtete. Lena ging hinein, und als sie sah, dass er wie gewöhnlich seine Decke zerwühlt hatte, glitt ein Lächeln über ihr Gesicht. Pippo lag neben ihm, was sie beruhigte. Mit einer Hand hielt er sein Kästchen fest umklammert, dessen Ecken sich in seine magere Brust bohrten. Sanft löste sie seine Finger und zog es vorsichtig weg. Sebi seufzte, streckte sich, als wolle er danach greifen, war aber wohl doch zu tief in seinen Träumen versunken.
Lena wollte das Holzkästchen schon auf der Truhe abstellen, die Sebis wenige Kleidungsstücke enthielt, als ein plötzlicher Impuls sie innehalten ließ. Noch zögerte sie, dann aber öffnete sie den Deckel.
Der übliche Inhalt: Steine, Vogelfedern, Tierknöchelchen. Aber was war das Längliche, Blaue mit den glänzenden Linien?
Nachdenklich wog sie das Glasgefäß in der Hand.
Er musste es irgendwo gefunden haben, denn gestohlen hatte der Kleine noch nie. Bestimmt sein kostbarster Schatz, und sie legte ihn schließlich wieder zurück.
Die männliche Leiche wurde schließlich in Hall angeschwemmt. Steine, Fische, vor allem aber die Zeit hatten ihre grausliche Wandlung an dem Toten bereits vollbracht. Kinder entdeckten sie beim Spielen am Fluss und riefen verängstigt ihre Eltern.
Ein weiterer Tag verging, bis die Nachricht an den Hof von Innsbruck gedrungen war. Alma von Spiess bestand trotz aller Bedenken darauf, den Toten zu sehen. Sie band sich dicke Leinenstreifen vor Mund und Nase und nickte.
»Ich bin bereit«, sagte sie dumpf. »Das bin ich ihm schuldig.«
Für ein paar Augenblicke ließ man sie mit dem Toten allein, den man in einem verlassenen Salzstollen abgelegt hatte, um die weitere Verwesung ein wenig aufzuhalten. Nach dem Gegenstand, der ihr so viele schlaflose Nächte bereitet hatte, brauchte sie nicht erst zu suchen, denn es gab nichts mehr, worin er noch hätte stecken können.
Der Hofmeister war nackt bis auf ein paar Fetzen, die von seiner Kleidung übrig geblieben waren: zerschunden, aufgedunsen, aufs Grässlichste entstellt. Almas Augen blieben trocken, obwohl ein harter Kloß ihr die Kehle verschloss und der Gestank, der von dem Toten ausging, unerträglich war.
»Leb wohl, Leopold!«, flüsterte sie und wandte sich ab. »Jetzt wartet auf diese Metze und ihre Weiber der Turm. Und danach das Feuer!«
Neun
D u musst ihr helfen, Johannes, bitte!« Übergroß die dunk len Augen in Lenas blassem, schmalem Gesicht. Nie zuvor hatte er sie derart aufgelöst gesehen. »Hella leidet und sie bekommt doch ein Kind!«
»Wie stellst du dir das vor? Auf der Scheuberin lasten schwerste Beschuldigungen. Und falls sie tatsächlich etwas mit dem Tod des Hofmeisters zu tun haben sollte …«
War er inzwischen nicht wie ein Teil von ihr? Und dennoch verstand Lena ihn nicht. Was ging in ihm vor, hinter dieser hohen Stirn und dem ernsten grauen Blick?
»Hella – niemals! Ich kenne sie seit Kindestagen. Sie mag eitel sein und leichtsinnig dazu und allen Männern im Vorübergehen den Kopf verdrehen, aber eine Mörderin ist sie nicht. Das weiß ich! Du musst zu ihr gehen und ihr sagen, dass sie nicht allein ist. Und dann müssen wir so schnell wie möglich Beweise finden, Beweise für ihre Unschuld.«
»Die Hofmeisterin hat das Kreuz ihres Mannes im Stall des Münzschreibers gefunden. Jetzt wurde sein entstellter Leichnam bei Hall angeschwemmt. Es sieht nicht gut aus für deine Freundin, Lena.«
»So ein Schmuckstück lässt sich schnell irgendwo platzieren. Das ist keine große Kunst. Und kannst du mir verraten, wie Hella einen toten Mann allein quer durch Innsbruck geschleift haben soll – in ihrem Zustand?«
Sie hatte Johannes zum Nachdenken gebracht. Das erkannte Lena an seinem Blick, der plötzlich hellwach geworden war.
»Du magst
Weitere Kostenlose Bücher