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Die Hexe und der Herzog

Die Hexe und der Herzog

Titel: Die Hexe und der Herzog Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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die Gerüchteküche. Manche wollten ihn spätabends hoch zu Ross gesehen haben, andere wieder behaupteten, er sei auf ein Floss gestiegen, um Inn abwärts zu reisen. Jedes Gasthaus hatte man abgeklappert, jeden Winkel der Hofburg durchsucht – ohne Ergebnis.
    In den Morgenstunden des vierten Tages näherte sich hoch zu Ross ein Trupp bewaffneter Männer dem Haus des Münzschreibers, begleitet von Alma von Spiess. Sie saßen ab, schlugen hart gegen die Tür.
    Als Hella schlaftrunken im Nachtgewand öffnete, drängten sie sie beiseite und stürmten an ihr vorbei ins Haus.
    »Was macht Ihr da?«, rief sie erschrocken. »Wer seid Ihr überhaupt?«
    »Stallmeister Fritz von Winkenthal und einige ausgezeichnete herzogliche Jäger«, erwiderte die Hofmeisterin kühl. »Sie begleiten mich auf Anweisung Seiner Hoheit, des Erzherzogs von Tirol. Gib meinen Mann heraus, Scheuberin!«
    »Euren Mann? Wovon redet Ihr?«
    »Das weißt du ganz genau.« Die Spiessin kam ihr so nah, dass Hella jede Sehne an ihrem mageren Hals überdeutlich sehen konnte. »Wozu noch weiter leugnen? Leopold hat doch ohnehin bereits alles gestanden. Also, wo ist er?«
    »Das weiß ich nicht«, rief Hella.
    Über ihnen das Getrampel fester Stiefel. Auch nebenan durchsuchten die Männer jedes Zimmer.
    »Oben scheint das Haus sauber zu sein«, sagte von Winkenthal. »Aber den Keller sollten wir uns noch vornehmen.«
    »Tut das!«, befahl die Spiessin. »Denn Leopold ist oder war hier – das spüre ich mit jeder Faser meines Körpers.«
    »Aber Ihr irrt Euch!«, rief Hella, die sich in ihrem dünnen Hemd vor den Augen der Fremden unwohlfühlte. »Ich weiß nichts. Gar nichts!«
    Die Männer kamen vom Keller wieder herauf.
    »Da ist keiner«, sagte einer.
    »Auf dem Dachboden haben wir auch nichts gefunden«, meldete ein anderer.
    Die Spiessin schien zu überlegen.
    »Der Stall«, sagte sie plötzlich. »Und dieses Mal bin ich mit dabei, um mich mit eigenen Augen zu überzeugen.« Sie warf der zitternden Hella einen schneidenden Blick zu. »Bewacht sie gut!«, befahl sie. »Nicht, dass unser kleines Goldkehlchen plötzlich noch Reißaus nimmt.«
    Im Stall durchsuchten die Männer die Futtertröge und stachen in alle Strohballen. Allmählich schien ihr Elan zu erlahmen.
    »Euer Gemahl war offenbar doch nicht hier«, sagte der Stallmeister. »Jedenfalls hat er keine Spur hinterlassen.«
    »Abgerechnet wird immer erst am Ende.« Die Spiessin begann mit einem Mal zu husten und wandte sich schnell ab. Niemandem fiel auf, dass sie dabei ein Kreuz an einer dünnen goldenen Kette aus ihrem Mieder zog und es zu Boden fallen ließ. Ihr Husten ließ nach. Mit einem feinen Leinentuch tupfte sie sich die Lippen ab. Scheinbar unbeabsichtigt glitt es neben ihr zu Boden.
    Einer der Jäger bückte sich galant, um ihr das Tuch zu reichen – und stutzte.
    »Da liegt etwas«, sagte er, »etwas Goldenes.«
    »Leopolds Kreuz!«, rief die Spiessin laut. »Ein Erbstück seiner verstorbenen Mutter. Er hat es oft getragen und immer in Ehren gehalten.«
    »So habt Ihr also doch recht gehabt«, sagte der Stallmeister. »Holt sie her!«
    Zwei Männer zerrten Hella in den Stall, wo Alma ihr das Schmuckstück triumphierend unter die Nase hielt.
    »Das gehört meinem Gemahl«, zischte sie. »Er war also hier, hier in diesem Stall. Was hast du mit ihm gemacht, du verdammte Metze – rede!«
    »Nichts. Gar nichts!«, rief Hella tränenüberströmt. Ihre Hände schützten den Bauch. »Dieses Kreuz hab ich noch nie gesehen. Ich hab ihm nichts getan. Wo ich doch sein Kind tragen könnte! Glaubt Ihr vielleicht, ich würde dem Vater meines Kindes ein Leid zufügen?«
    Die Männer schauten betreten drein. Sogar der Stallmeister schien beeindruckt.
    »Und wo sollte ich ihn denn auch hingeschafft haben – in meinem Zustand? Seht ihr ihn vielleicht hier irgendwo liegen?« Langsam begann Hella ein Fünkchen Hoffnung zu schöpfen. Nichts sagen, unter keinen Umständen!, das hatte Wilbeth ihr mehrmals eingeschärft. Und die kluge Alte hatte sicher recht.
    »Leopold war hier«, beharrte die Spiessin. »Und das Kind wird er dir ja wohl kaum in der Hofburg gemacht haben. Seit wann habt ihr es denn zusammen getrieben? Und wo? Gleich hier wie Tiere im Stroh, während der ahnungslose Münzschreiber in Hall über seinen Büchern geschwitzt hat? Musste er deshalb verschwinden, mein Gemahl, damit Scheuber nichts von deiner gottlosen Unzucht erfährt?«
    Sie spie Hella mitten ins Gesicht. »Du warst es, die ihn

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