Die Hexe und der Herzog
mit einem unguten Gefühl aufgewacht. Als der Tag länger wurde, steigerte sich ihre innere Unruhe bis hin zu lähmender Rastlosigkeit. Wären die Tage endlich kühler gewesen, hätte sie sich zur alten Kapelle aufgemacht, um zu den Füßen der Bethen die gewohnte Gelassenheit zurückzugewinnen, doch der lange Marsch durch die Hitze schreckte sie davon ab.
Sie ging im Haus umher, zupfte hier etwas zurecht, begann dort etwas zu ordnen, was sie allerdings bald wieder sein ließ. Vielleicht rührte ihre seltsame Verfassung ja auch daher, dass seit Tagen Kundschaft gänzlich ausgeblieben war, nachdem bereits in den vergangenen Wochen immer seltener jemand den Weg zu ihr gefunden hatte.
Natürlich wusste Wilbeth, wem sie diese Flaute zu verdanken hatte, und sie hätte eigentlich froh darüber sein müssen, denn jeder, der in diesen Zeiten sein Geld zu ihr trug, bedeutete eine Gefahr. Seit Hella im Loch saß, erschien ihr die Bedrohung von Tag zu Tag größer. Sie fühlte sich wie kurz vor einem Gewitter, wenn der Himmel sich verdunkelt hat und man in der Ferne bereits erste grelle Blitze zucken sieht.
Schließlich bereitete sie sich einen Tee aus Johanniskraut zu, ein unfehlbares Mittel, um die innere Ruhe zurückzuerhalten, das sie Unzähligen mit großem Erfolg empfohlen hatte. Sie brachte ihn nicht hinunter, nicht einen einzigen Schluck. Unfähig zu weiteren Tätigkeiten, ging sie schließlich in ihre Kammer und legte sich auf das Bett.
Wilbeth schloss die Augen, ging ganz in ihre Mitte. Plötzlich schoss sie hoch. Angst jagte ihr durch die Gedärme, dass sie aufspringen und zur Latrine rennen musste.
Und während sie sich noch unter Krämpfen stöhnend entleerte, als müsste sie ihr Innerstes nach außen stülpen, hörte sie bereits das Poltern der Häscher, die gewaltsam ihre Tür aufbrachen.
Vielleicht würde heute Lena endlich mal wieder in den »Goldenen Engel« kommen, sie hatte sie schon eine ganze Weile nicht mehr gesehen. Manchmal kam es Els vor, als würde auch Sebi Lena vermissen, obwohl er sich bei ihren raren Besuchen eher abweisend gab, als würde er sich gar nicht um sie bekümmern. Els aber wusste, dass es im Inneren ihres Sohnes ganz anders aussah, als einen sein äußeres Verhalten glauben machte.
Ob Antonio vielleicht doch recht hatte, wenn er behauptete, eine richtige Familie würde Sebi stärken und schützen? Es gab Tage wie diesen, da sehnte sie sich selbst nach einer solchen Familie.
Sie zog den kleinen Beutel aus ihrem Mieder und betrachtete nachdenklich die schwere Silbermünze. Der erste Guldiner des Herzogs, den der Münzintendant ihr geschenkt hatte. Zwei Männer, die ihr Leben nachhaltig geprägt hatten, wenngleich auch auf unterschiedlichste Weise. Mit dem ersten verband sie tiefer, alter Hass, mit dem zweiten ein verwirrendes Gefühl, das Liebe gefährlich nah kam. Die Münze wanderte zurück in ihr Versteck.
Mit einem Seufzer erhob Els sich von der Ofenbank. Sie würde Bibiana in der Küche helfen, obwohl auch heute mit Gästen kaum zu rechnen war. Sie steckten jetzt alle drüben im »Schwarzen Adler«, wo Purgl und Dietz Geyer das Geschäft ihres Lebens machten.
Als die Tür aufging, drehte sie sich erfreut um, in der Hoffnung, es habe sich doch jemand zu ihnen verirrt. Die beiden Büttel, die ihr finster entgegenstarrten, belehrten sie rasch eines Besseren.
»Bist du die Witwe Elisabeth Hufeysen?«
»Und die Wirtin des ›Goldenen Engel‹«, sagte sie mit enger Kehle. »Was wollt ihr von mir?«
»Das wirst du noch früh genug erfahren.« Sie sprangen auf sie zu, packten ihre Arme. Els trat um sich und kratzte, sodass sie sie kurz wieder loslassen mussten. Als sie abermals nach ihr greifen wollten, senkte sie blitzschnell den Kopf und biss einen der Männer in die Hand, so fest sie nur konnte. Er jaulte auf, holte aus und versetzte ihr eine schallende Ohrfeige.
»Verdammtes Hexenweib!«, schrie er, während Els nach einem Halt suchte, weil ihr Kopf brummte und dröhnte, als habe sich ein Schwarm wilder Bienen darin verirrt. »Dir werden wir schon zeigen, wer hier das Sagen hat.«
Wie ein Blitz kam Bibiana aus der Küche geschossen.
»Was tut ihr da?«, rief sie. »Habt ihr den Verstand verloren? Lasst sofort mein Mädchen los!«
»Dein Mädchen kommt jetzt erst einmal ins Loch«, zischte der zweite Büttel, während der erste mit seiner verletzten Hand beschäftigt war. »Denn auf ihr lastet der Verdacht von Hexerei und schwarzer Magie. Später kannst du sie dann
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