Die Hexe und der Herzog
Hebamme?«
»Sieht es so aus, als würde ich Schornsteine fegen?«
»Dann bist du hiermit festgenommen. Wegen Verdachts auf Hexerei.«
»Wer hat das befohlen?«, fragte Barbara, obwohl sie die Antwort bereits kannte. Maris!, dachte sie voller Entsetzen. Jetzt muss dein Vater Jockel sich um dich kümmern.
»Der Inquisitor. Die Hände auf den Rücken!«
Vom Bett kam ein hoher, schriller Ton.
»Ihr könnt sie doch nicht einfach mitnehmen! Nicht ausgerechnet jetzt«, schrie die Gebärende, »wo gerade mein erstes Kind kommen soll!«
Der zweite Büttel beugte sich über das Bett. »Wirst es gewiss auch ohne sie schaffen, Weib«, sagte er verächtlich. »Bist ja schließlich nicht die Erste auf der Welt, die das zu bewerkstelligen hat.«
Er hatte lange und tapfer gekämpft. Monate lagen hinter ihm, in denen seine Lebenskraft immer schwächer geworden war, die Hände zittriger, die Beine müder, bis er schließlich die Bettstatt gar nicht mehr hatte verlassen können. Obwohl der Tod zu früh gekommen war, erschien er Rosin schließlich wie ein gnädiger Freund: Valentin, einst Braugeselle ihres Vaters, war nun bereit, seine letzte Reise anzutreten.
Aus alter Verbundenheit mit dem Verstorbenen, der sein Leben lang wenig besessen hatte, hatte Rosin sich mit der Witwe und ihren drei kleinen Töchtern auf den halben Satz für ihre Dienste geeinigt, und selbst den würden die Hinterbliebenen erst nach und nach in winzigen Raten abstottern. Rosin wusste aber, sie konnte sich darauf verlassen, auch wenn zwischen den einzelnen Zahlungen Monate lagen. Auf Hesa, die Valentin stets ein braves Weib gewesen war, konnte sie vertrauen.
Hesa hatte sie inständig gebeten, dabei sein zu dürfen, während sie den Toten auszog, wusch und salbte und für den Sarg wieder ankleidete. Zwar bevorzugte sie es, all diese Arbeiten allein zu verrichten, heute aber hatte sie Hesa die Bitte ausnahmsweise erfüllt. Obwohl es der eigene Mann war, der da im Totenzimmer lag, gelang es der Witwe, in die Rolle einer aufmerksamen, liebevollen Helferin zu schlüpfen, die dem Wissen und der Erfahrung der Totenwäscherin vertraute.
»Siehst du das?«, sagte Rosin, nachdem Valentin in seinem besten Gewand dalag und sie ihm die Hände auf der Brust falten wollte. »Da innen – in der Handfläche. Alles glatt.«
»Da sind ja gar keine Linien mehr zu erkennen! Und mein Valentin hat doch von Kindesbeinen an so hart gearbeitet.« Hesa wirkte erschrocken. »Was hat das zu bedeuten, Rosin?«
»Wenn wir die Erde verlassen, bilden sich als Erstes die kleinen Furchen zurück, und schließlich lösen sich alle Handlinien auf. Als ob unsere Spuren ausgelöscht würden.« Sie sah, wie Hesas Mund zu zucken begann. »Aber wir leben ja weiter, und das weißt du«, fügte sie hinzu. »In den Herzen derer, die uns lieben. Ist das nicht das Allerwichtigste?«
Erleichtertes Nicken.
Hesa war eine von ihnen, die früher oft die alte Kapelle aufgesucht hatte, deshalb zögerte Rosin nicht, nach getaner Arbeit die Kraft der Ewigen Drei anzurufen.
»Nimm ihn auf, in deinen unendlichen Schoß!«, betete sie laut, während Hesa abermals Tränen über die Wangen rannen. »Dunkle Borbeth, Königin allen Vergehens...«
Die Tür ging auf. Die älteste Tochter stand auf der Schwelle, ängstlich und verweint.
»Da sind zwei fremde Männer, Mama«, sagte sie. »Sie machen ein böses Gesicht und wollen Rosin holen. Weil sie eine Hexe ist.«
Die beiden Frauen sahen sich an.
»Du könntest es über das Fenster versuchen«, sagte Hesa aufgeregt. »Es ist ja nur ein Stockwerk. Wenn du einigermaßen gut aufkommst, kann die Flucht vielleicht gelingen.«
»Was würde das schon bringen?«, fragte Rosin. »Wenn sie dich holen wollen, finden sie dich überall. Ich kann mir schon denken, wer mich da hingehängt hat. Aber mein Sohn, Paul, du musst ihn zu seinem Großvater bringen! Sofort, versprichst du mir das?«
»Alles, was du nur willst«, flüsterte Hesa. »Alles!«
»Du bist die verwitwete Hochwartin?« Zwei Büttel hatten sich Eintritt verschafft.
»Rosin Hochwarth, meines Zeichens Totenwäscherin.« Sie streckte das Kinn vor und versuchte, die jäh aufkeimende Angst, die sie zu lähmen drohte, vor den Männern nicht zu zeigen.
»Du bist der Hexerei angeklagt«, sagte einer der beiden. »Für solche wie dich gibt es nur zwei passende Orte.« Er lachte keckernd. »Erst das Loch. Und danach den Scheiterhaufen.«
Wilbeth hatte schwer lastende Träume gehabt und war schon
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