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Die Hexe und der Herzog

Die Hexe und der Herzog

Titel: Die Hexe und der Herzog Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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alle zusammen. In der Sillschlucht, wie sie unweit der alten Kapelle miteinander um das Feuer getanzt sind. Gelacht haben sie und gejuchzt, als wären sie sich selbst genug und bräuchten nichts und niemanden sonst auf der Welt. Später haben sie dann ihre Röcke gerafft und sind über die glühenden Scheite gesprungen, so hoch und behände, als hätte ein heißer Wind sie ergriffen und über die Glut getragen …«
    Er hielt inne. Ihm ekelte vor sich selbst. Wie weit war es schon mit ihm gekommen, dass er Lena und die Frauen so gemein verriet?
    Das Gesicht Kramers schien auf einmal wie geschmolzen. »Das ist gut, mein Sohn«, sagte er und streckte sich. »Du hast mich nicht enttäuscht. Und auch dein herzoglicher Vater kann stolz auf dich sein. Damit brichst du ihnen allen den Hals.«

     
    Die Frau war jung und furchtsam, und es war ihr erstes Kind, das sie zur Welt bringen sollte. Die Wehen hatten bereits in den frühen Morgenstunden eingesetzt, doch ihr Mann und ihre Schwägerin hatten es Mittag werden lassen, bis sie endlich Barbara riefen.
    Als Erstes hatte die Hebamme angeordnet, feuchte Tücher vor die Fenster zu hängen, um die stickige Hitze zu mildern. Danach rieb sie den Damm der Gebärenden mit Lilienöl ein, damit er geschmeidiger wurde. Schließlich band sie ihr ein Leinensäckchen auf die rechte Hüfte.
    »Was ist da drin?«, flüsterte die junge Frau. »Es riecht so streng.«
    »Heilende Kräuter«, sagte Barbara knapp. In Zeiten wie diesen erschien es ihr klüger, das Bilsenkraut, das stets den Löwenanteil ausmachte, nicht zu erwähnen. Ebenso wenig hatte sie vor, ihre stummen Bitten an die Bethen zu verraten, die sie immer anrief, wenn sie bei einer schwierigen Geburt half. »Du darfst dich nicht so verkrampfen, wenn die Wehen kommen! Stell dir einfach vor, es ist eine große Welle – und geh mit ihr! Dann wird es leichter für dich.«
    »Kann es sein, dass ich so leiden muss, weil wir uns schwer versündigt haben, Bertram und ich?«
    »Was habt ihr denn Böses getan?«
    »Die Fastenzeiten missachtet.« Die junge Frau war kaum noch zu verstehen, so sehr schien Scham ihr den Mund zu verschließen. »Es heißt doch, man darf weder mittwochs noch freitags fleischlich verkehren und an den meisten Samstagen ebenfalls nicht. Aber Bertram hat sich so sehr einen Sohn gewünscht, und da haben wir trotzdem …«
    »Gott liebt jedes Kind, das geboren wird«, sagte Barbara und streichelte kurz den Arm der Frau. »In all seiner unendlichen Güte wird er daher gewiss auch euer Kleines auf dieser Welt willkommen heißen. Doch bevor es so weit ist, hast du noch eine ganze Menge Arbeit zu erledigen, vergiss das nicht! So und nicht anders hat die Natur es nun einmal für uns Frauen eingerichtet.«
    Dann ging sie nach draußen in die Küche, wo die Angehörigen warteten.
    »Wie geht es ihr?« Die Nase der Schwägerin war spitz und neugierig. »Kann man den Kopf schon sehen?«
    »Ist es ein Junge?«, stieß Bertram hervor. »Es wird doch bestimmt ein Junge!«
    »Wird wohl noch seine Zeit dauern.« Barbara fühlte sich plötzlich müde. Wie oft schon hatte sie die immergleichen Worte gesagt? »Und das kann bei Erstgebärenden eine ganze Weile sein.« Den werdenden Vater traf ein kühler Blick. »Einen Jungen wünschst du dir? Geduld, Geduld!«
    Sie schaute sich in der Küche um. »Ich brauche Met, um ihr die Lippen zu betupfen«, sagte sie. »Sonst werden sie zu trocken und reißen ein. Und auch die Hebamme könnte durchaus eine kleine Stärkung vertragen.«
    »Wir haben frisch gepökelt.« Das war der durchdringende Geruch, der Barbara vom ersten Augenblick an entgegengeschlagen war, als sie das Haus betreten hatte. »Wenn du einen Teller davon haben willst?«
    »Brot und Käse sind mehr als genug. Bei meiner Arbeit ist es günstiger, bis zuletzt einen klaren Kopf zu haben statt einen vollen Bauch. Bring mir etwas mit dem Met einfach in die Kammer!«
    Drinnen atmete die Gebärende heftiger. Inzwischen schien sich die Abfolge der Wehen nahezu verdoppelt zu haben.
    »Du willst es hinter dir haben«, sagte Barbara lächelnd. »Das kann ich gut verstehen. Also streng dich tüchtig an! Damals, als ich meine kleine Maris …«
    Poltern und Männerstimmen. Dann wurde die Tür grob aufgerissen. Zwei Büttel standen plötzlich mitten in der Gebärstube.
    »Hinaus!«, rief Barbara aufgebracht. »Und zwar sofort. Was fällt euch ein, hier einzudringen?«
    »Barbara Pflüglin?«, fragte der Größere von beiden. »Die

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