Die Hexe und der Herzog
rohe Handschrift«, sagte er nach kurzer Inspektion. »Als hätte jemand auf die Schnelle ein Exempel statuieren wollen. Jemand, dem es schwer gegen den Strich geht, dass hier in diesem alten Heiligtum diese Bethen so inbrünstig verehrt werden.«
»Möglich. Aber das werden die Leute sich nicht gefallen lassen«, flüsterte Scheuber.
»Die Leute? Wen meint Ihr damit? Die Frauen?«
»Alle hier. Auch die Männer, selbst wenn es sicherlich keiner von ihnen jemals zugeben würde. Ohne die Kraft und die Liebe der Bethen will doch niemand leben!« Er schaute sich vorsichtig um. »Das riecht nach Aufruhr. Ich kenne meine Tiroler, die wissen sich zu wehren.«
»Aufruhr«, wiederholte Johannes leise und überlegte: Aufruhr – ja, das könnte man sich möglicherweise zunutze machen, wenn man es nur schlau genug anfängt.
Ihn hierher zu zitieren, bedeutete für Kramer eine ganz besondere Genugtuung, und er hatte sich für diesen Augenblick bestens präpariert. Seine frisch angelegte Kutte war blütenweiß, das Haar gestriegelt, Hände und Nägel hatte er geschrubbt, bis sie vor Sauberkeit brannten.
Der Bastard des Herzogs schien nichts Gutes zu ahnen, denn er betrat die Dachkammer bereits wie ein armer Sünder, den Rumpf gebeugt, die breiten Schultern eingefallen, als fehle ihm die Kraft, sie wie sonst stolz zu straffen.
»Ihr habt mich rufen lassen, Pater?«, sagte er mit leiser Stimme.
»Das ist richtig. Wenngleich ich eigentlich gehofft hatte, Ihr würdet aus eigenen Stücken zu mir kommen, um Euer Gewissen zu erleichtern.« Er wies auf den Schemel, der seit gestern an die Stelle des harten Stuhls getreten war und der ihm mit all seiner Unbequemlichkeit weitaus bessere Dienste erwies. »Setzt Euch! Euren Namen!«
»Niklas Pfundler, Trompeter.«
»Ihr seid Spielmann am Hof Seiner Hoheit?« Kramer ließ die Feder über das Papier tanzen.
Ein Nicken.
»Und ein Bastard des Herzogs dazu?«
Niklas nickte abermals, wenngleich deutlich zögernd.
»So hat Eure Mutter Euch bereits in Sünde empfangen, und in verwerflicher Sünde führt auch Ihr Euren liederlichen Lebenswandel.« Kramer hatte mahnend seine Stimme erhoben.
»Meine Mutter ist tot, schon seit vielen Jahren. Eine brave, fromme Frau, die ihren Herrgott sehr geliebt hat«, erwiderte Niklas mit leisem Trotz. »Sie hat kein einfaches Leben gehabt. Lasst sie in Frieden ruhen, ich bitte Euch!«
Er schien sich allmählich wieder zu fassen, ein Umstand, der Kramer ganz und gar nicht gefiel.
»Wie könnte ich das? Denn was würde sie wohl dazu sagen, dass ihr Sohn öffentlich eine Hexe bestiegen und mit ihr die allerschlimmste Unzucht begangen hat?«, donnerte der Institoris. »Und versucht erst gar nicht zu leugnen, denn die Aussagen ehrlicher Zeugen stehen dagegen!«
»Ich kenne keine Hexe …«
»Hässliche Kröten springen aus deinem Mund, wenn du die Wahrheit derart befleckst«, schrie Kramer. »Hast du die Hexe Lena Schätzlin in der Nacht des heiligen Johanni fleischlich erkannt – oder hast du es nicht?«
Niklas war verstummt. Jemand musste sie beobachtet haben, jemand, der ihm nicht einmal aufgefallen war, weil Lenas Abfuhr ihn so wütend gemacht hatte.
»Ich habe Lena geküsst«, sagte er. »Und später haben wir uns für eine Weile abseits des Feuers ins Gras gelegt. Doch mehr ist nicht geschehen, das schwöre ich.«
»Lügner!« Kramers Gesicht war dunkelrot. »Mit jedem weiteren Wort bringst du dich nur noch dichter an den Abgrund.« Er riss an dem engen Kragen seiner Kutte, als drohe er zu ersticken. »Oder bist auch du bereits ein Buhle Satans, der nachts über unschuldige Menschen kommt, um sie ihrer unsterblichen Seele zu berauben? Ist es deine Laute, die du benützt, um die Opfer willig zu machen, oder ist es eher die Flöte, mit der du sie verführst? Gib acht, Spielmann, dass du nicht schon bald Seite an Seite mit deiner Hexe auf brennenden Scheiten tanzt!«
Etwas Eisiges kroch in Niklas hoch, das trotz der Hitze seinen ganzen Körper klamm werden ließ.
»Ich hab doch nichts Böses getan«, flüsterte er. »Woher hätte ich denn ahnen sollen, dass Lena …«
»Gestehen musst du und bereuen«, dröhnte Kramers Stimme in seinen Ohren. »Allein das kann dich noch vor dem ewigen Verderben retten. Also rede endlich, wenn dein Leben dir lieb ist! Was weißt du noch – und ich verlange die ganze Wahrheit, Pfundler!«
»Ich hab sie gesehen«, sagte Niklas. War das wirklich seine eigene Stimme, so brüchig und klein? »Diese Weiber,
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