Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Hexe und der Leichendieb: Historischer Roman (German Edition)

Die Hexe und der Leichendieb: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Hexe und der Leichendieb: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helga Glaesener
Vom Netzwerk:
in ihrer Höhle unter der Erde den Leichnam eines Kindes schändeten und wie Henriette auf demselben Tisch mit dem schwarzen Tuch gelegen und vor Angst geschrien hatte. Sie merkte, dass sie zitterte.
    »… hat das hohe Gericht zu entscheiden, ob die Gründe, auf denen dieses Begehren beruht, ausreichen, um die Gesetze unseres ewigen Gottes, nach denen ein Weib seinem Ehemanne untertan zu sein und ihm zu gehorchen hat, auszusetzen.«
    Marsilius lächelte verkniffen. Konnte die Verhandlung auch damit enden, dass man sie zwang, mit ihm auf die Wildenburg zurückzukehren? Weder Julius noch Tomas hatten so etwas angedeutet. Aber war es nicht möglich? Sophie faltete ihre Hände im Schoß, um sie still zu halten.
    »… möge also ihr Advokat vortragen, was es aus der Sicht der Frau zu berichten gibt.«
    Tomas erhob sich und schritt vor den Richterisch. Er wurde Sophie fremd, als er in umständlichen, mit vielen lateinischen Wörtern gespickten Formulierungen erklärte, worum es ihm ging – dass nämlich der Mutter das Kind, das sie geboren hatte, zurückgegeben werden müsse, da es sich in den Händen des Vaters in Gefahr befinde. Argumentierte er auch mit der nötigen Leidenschaft?
    Leidenschaft schien kein Bestandteil dieses Gerichts zu sein. Der Advokat, der anschließend Marsilius’ Standpunkt vertrat, sprach ebenso trocken und unverständlich. Marsilius hatte geheiratet und sich an seiner kleinen Familie erfreut, bis sein Weib ohne erkennbaren Grund ihr Heim verlassen und ihr Kind wie eine Hündin unter freiem Himmel geboren hatte. Es sei nicht einzusehen, dass er den Säugling, nachdem er ihn unter seinen väterlichen Schutz zurückgeholt hatte, an die wahnsinnige Frau zurückgeben solle.
    Von Büren hob ein Blatt an, als der Mann zu seinem Platz zurückkehrte. »Wie es aussieht, geht es in diesem Fall elementar auch um den Vorwurf der Hexerei.« Er nickte dem Kanzleischreiber zu.
    Der legte die Schreibfeder beiseite und rieb sich die Hände. Er schien ein fröhlicher Mensch zu sein, denn er lächelte in die Runde, während er sprach. »Ganz recht. Einem Weib namens Edith Barbel, das im Haushalt des Herrn von Palandt lebt und dort das strittige Kind als Amme versorgt, wird vorgeworfen, sich dem Teufel verschrieben zu haben. Diese Person wurde geladen, um sie zu verhören.« Auch er nahm ein Blatt Papier von einem Stapel. »Allerdings konnte das Weib der Ladung nicht folgen. Einer Nachricht, die heute früh in der Kanzlei einging, ist zu entnehmen, dass sie sich an kochendem Wasser verbrühte und sich in einem Zustand befindet, der es ihr nach dem Zeugnis des Peter Demerath, Schultheiß des Wildenburger Gerichts, unmöglich macht, eine Reise auf sich zu nehmen.«
    »Das Papier hätte den Assessoren vor Beginn der Verhandlung zur Kenntnis gebracht werden müssen. Es ist gegen die Prozessordnung, es während der Verhandlung nachzureichen«, krittelte einer der Richter, der schon älter war und durch eine Brille schaute, die an seiner Mütze befestigt war.
    O Himmel, hieß das, sie würden alles vertagen? Nein, bitte nicht! Verstohlen blickte Sophie zur Tür des Gerichtssaales, wo Josepha, fast unsichtbar unter einem Kapuzenmantel, zwischen den Zuschauern darauf wartete, ihre schlimmen Erlebnisse vorzutragen. Tomas hatte sie dem Gericht als Zeugin über den Leumund der Klagenden angekündigt, und er hätte es gern gesehen, wenn sie neben Sophie Platz genommen hätte. Aber Josepha hatte sich geweigert. Bei der Tür!, hatte sie verlangt. Das war eine Seltsamkeit in ihrem Verhalten, die sie bereits in Tomas’ Haus gezeigt hatte. Sie musste immer eine Fluchtmöglichkeit haben. Eingesperrt zu sein konnte sie nicht mehr ertragen. Sie hatte sogar darauf bestanden, trotz der Kälte bei geöffnetem Fenster zu schlafen.
    Tomas meldete sich zu Wort. Er sprach leise und akzentuiert. Er habe beinahe erwartet, dass dieses Teufelsweib Edith sich dem Gericht unter einem Vorwand verweigern würde. Sie wisse, welcher Verbrechen sie beschuldigt werde. Sie habe ebenso Angst vor dem Urteil der Kammer wie ihr Herr.
    »Angst? Ich?« Marsilius ließ die Faust auf die Rückenlehne der Bank donnern. Als er merkte, dass er mit dem Ausbruch den Kammerrichter verärgerte, entschuldigte er sich. Das hatte Sophie bei ihm noch nie erlebt – Marsilius kleinlaut. Er hatte also auch Angst vor dem Urteil! Ihre Stimmung hob sich.
    »Dann also zum nächsten Zeugen – zu Pater Ignatius SJ. … SJ ?« Von Büren hob die Brauen. » Societas Jesu?

Weitere Kostenlose Bücher